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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Rattenfänger bezahlt.«
    Chade senkte den Kopf und rieb sich die Schläfen. Als er mich wieder anschaute, wirkte er erschöpft. »Wir tun alles, was wir können, FitzChivalric. Hast du eine bessere Idee?«
    Wieder dachte ich ein wenig nach. »Nicht wirklich«, antwortete ich schließlich. »Aber ich würde die Botschaften gerne einmal sehen, die sie geschickt haben. Die mit der Namensliste und auch die davor. Besonders die, die unmittelbar vor dem Verschwinden des Prinzen gekommen ist.«
    »Wenn du sie sehen willst, dann sollst du sie auch sehen.«
    Er blickte mich unter den Augenbrauen her an. Dann stand er auf und ging langsam und nachdenklich zum Regal mit den Schriftrollen. »Ich nehme an, dass ich irgendwann all meine Geheimnisse an dich weitergeben muss«, bemerkte er widerwillig. Dann – wie, das konnte ich nicht erkennen – betätigte er einen Schalter oder etwas Ähnliches. Das reich beschnitzte Oberteil des Regals klappte nach unten und gab den Blick auf eine Öffnung frei. Chade griff hinein und holte drei Schriftrollen daraus hervor. Alle waren sie klein, fest zusammengerollt und steckten in Zylindern, die so klein waren, dass ein Mann sie in seiner Faust hätte verbergen können. Ich stand auf, doch Chade schloss das Regal rasch wieder, bevor ich sehen konnte, was sich sonst noch darin verbarg.
    »Wie hast du das aufgemacht?«, verlangte ich zu wissen.
    Er lächelte schwach. »Ich sagte ›irgendwann‹, Fitz, nicht ›heute‹.« Sein Tonfall war der meines einstigen Mentors. Seine Verärgerung über mich schien er vergessen zu haben. Er kehrte wieder zu mir zurück und reichte mir die Schriftrollen. »Kettricken und ich hatten unsere Gründe. Ich hoffe, du wirst sie verstehen.«
    Ich nahm die Schriftrollen an mich, doch bevor ich auch nur eine öffnen konnte, schwang das Regal wieder beiseite, und Dick betrat den Raum. Sofort ließ ich instinktiv die Zylinder in meinem Ärmel verschwinden. »Jetzt muss ich gehen, FitzChivalric«, sagte Chade und drehte sich zu Dick um. »Dick. Du hättest dich früher am Tag mit Tom treffen sollen. Wo ihr beide jetzt hier seid, möchte ich, dass ihr etwas Zeit miteinander verbringt. Ich will, dass ihr Freunde werdet.« Der alte Assassine warf mir einen letzten vernichtenden Blick zu. »Ich bin sicher, dass ihr jetzt eine angenehme Unterhaltung führen werdet. Gute Nacht euch beiden.«
    Mit diesen Worten ließ er uns allein. War Chade darüber erleichtert gewesen, dass er uns verlassen konnte? Er verschwand blitzschnell aus dem Raum, noch bevor das Regal sich hinter Dick geschlossen hatte. Der schwachköpfige Diener trug die doppelte Ladung Holz wie üblich in einer Tuchschlinge über der Schulter. Er schaute sich um. Vielleicht hatte es ihn überrascht, dass Chade so überstürzt aufgebrochen war. »Holz«, sagte er zu mir; dann ließ er seine Last zu Boden fallen, richtete sich wieder auf und wandte sich zum Gehen.
    »Dick.« Der Klang meiner Stimme ließ ihn stehen bleiben. Chade hatte Recht. Ich sollte dem Mann zumindest beibringen, mir zu gehorchen. »Du weißt, dass es nicht das ist, was du tun sollst. Stapele das Holz neben dem Kamin.«
    Er funkelte mich an, spannte die Schultern und rieb sich die fleischigen Hände. Dann packte er einen Zipfel des Tragtuchs und schleifte das Ganze Richtung Kamin, wobei er Holz und Dreck auf dem Boden verteilte. Ich sagte nichts dazu. Dick hockte sich neben den Kamin und begann, weit vehementer und vor allem lauter als nötig das Holz zu stapeln. Dabei blickte er immer wieder über die Schulter zu mir, doch ich wusste nicht, ob ich da nun Widerstand oder Furcht in seinen kleinen Knopfaugen sah. Ich schenkte mir ein Glas Wein ein und versuchte, ihn zu ignorieren. Es musste doch einen Weg geben, täglich mit Dick zurechtzukommen. Ich wollte ihn nicht um mich herum haben, geschweige denn, ihn unterrichten. Tatsächlich empfand ich seinen missgestalteten Leib und seine Dummheit sogar als widerlich …
    … genau wie Galen meine Gegenwart als widerlich empfunden hatte; genau wie Galen mich nicht hatte unterrichten wollen.
    Dieser Gedanke streute Salz in eine Wunde, die nie wirklich verheilt war. Einen Augenblick lang empfand ich Scham, während ich Dick dabei beobachtete, wie er mürrisch seiner Arbeit nachging. Er hatte mich nicht gebeten, ihn zu einem Instrument der Weitseherkrone zu machen, ebenso wenig wie ich damals danach gefragt hatte. Wie mir, so war auch ihm diese Pflicht einfach zugefallen. Auch hatte er sich weder seine

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