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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Trillerpfeife an einer grünen Kordel gegeben.« Er legte die Stirn noch mehr in Falten und dachte nach. »Aber sie haben sie mir weggenommen und kaputtgemacht.« Kurz schwieg er und atmete heiser bei der Erinnerung. Ich fragte mich, vor wie langer Zeit das wohl geschehen sein mochte. Dick hatte seine kleinen Augen fast vollständig zusammengekniffen. Ich hatte ihn für zu dumm gehalten, um sich bis in seine Kindheit zurückerinnern zu können. Das Bild, das ich mir von Dick gemacht hatte, veränderte sich mit dramatischer Schnelligkeit. Sein Verstand arbeitete sicherlich nicht wie Chades oder meiner, aber er arbeitete. Dann blinzelte er mehrere Male. Die nächsten Worte kamen als Schluchzen aus seinem Mund, sodass er kaum noch zu verstehen war. »Sie wollten noch nicht einmal reinblasen. Ich habe gesagt: ›Ihr dürft reinblasen, aber gebt sie dann wieder zurück.‹ Aber sie haben nicht reingeblasen. Sie haben sie nur kaputtgemacht. Und sie haben mich ausgelacht. Meine rote Trillerpfeife … die meine Mama mir gegeben hat.«
    Vielleicht hatte dieser pummelige, kleine Mann, der seiner roten Trillerpfeife hinterherweinte, ja etwas Komisches an sich. Ich kenne viele Leute, die ihm in diesem Augenblick ins Gesicht gelacht hätten. Was mich betraf, so hielt ich den Atem an. Schmerz strahlte von ihm aus wie Hitze von einem Feuer, und es entzündete die lange begrabenen Erinnerungen an meine eigene Kindheit. Die Art, wie Edel mir einen Stoß versetzte, wenn ich in einem Gang an ihm vorüber kam, oder wie er durch meine Spielsachen trampelte, wenn ich in der Ecke saß und spielte … Die Erinnerung zerbrach etwas in mir: eine Mauer, die ich aufgrund all der Unterschiede zwischen Dick und mir errichtet hatte. Immerhin war er schwachsinnig und fett, komisch gebaut und frech. Er stank und hatte keine Manieren. Er war genauso ein Aussätziger in dieser Burg des Reichtums und der Freuden, wie ich es einst als Namenlos, der Hundejunge, gewesen war. Es war egal, dass er so alt war wie ein Mann. Was ich plötzlich sah, war der Junge, der nie ein Mann sein würde – ein Mann, der sagen könnte, diese Schmerzen seien nun Vergangenheit, längst vorbei, Teil einer Zeit, als er noch verletzlich war. Dick würde immer verletzlich bleiben.
    Ich hatte beabsichtigt, ihn zu bestechen. Ich hatte beabsichtigt herauszufinden, was er wollte, um es ihm dann vor die Nase zu halten, damit er tat, was ich wollte. Ich hatte nicht grausam zu ihm sein, sondern nur mit ihm über seinen Gehorsam feilschen wollen. Das wäre nicht viel anders gewesen als damals, da mein Großvater mich gekauft hatte. König Listenreich hatte mir eine Anstecknadel gegeben und mir eine Erziehung versprochen. Seine Liebe hat er mir nie versprochen, obwohl ich glaube, dass er sich irgendwann ebenso sehr um mich gesorgt hatte, wie ich mich um ihn. Dennoch habe ich mir stets gewünscht, dass sein Mitgefühl das Erste gewesen wäre, was er mir angeboten hatte, und nicht das Letzte. Als es auf das Ende zugegangen war, hatte ich vermutet, dass er diesen Wunsch mit mir teilte.
    Ich sprach die Worte laut aus, bevor mir überhaupt bewusst geworden war, dass ich sie dachte: »Oh, Dick. Wir haben dich nicht gut behandelt, nicht wahr? Aber das wird sich nun ändern. Das verspreche ich dir. Wir werden dich sehr viel besser behandeln, bevor ich dich noch einmal fragen werde, ob du diese Dinge von mir lernen willst.«

Kapitel 15
Streit
    Auf den Äußeren Inseln gibt es nur drei Orte, die die Zeit des Reisenden wert sind. Der erste dieser Orte ist der Eisfriedhof auf der Gefährlichen Insel. Dies ist der Ort, wo die Outislander seit Jahrhunderten ihre größten Krieger bestatten. Frauen werden der Tradition gemäß auf dem Land ihrer Familie begraben. Es gilt als letzte Gabe an die Familie, sein eigenes Blut und Fleisch mit dem schlechten Ackerland zu mischen. Die Leichen der Männer wiederum werden für gewöhnlich dem Meer überantwortet. Nur die allergrößten Helden werden auf dem Gletscherfeld der Gefährlichen Insel bestattet. Die Monumente über jedem Grab bestehen aus geformtem Eis. Die ältesten sind schon so weit verwittert, dass man sie nicht mehr erkennen kann, obwohl die Bevölkerung der Insel sie von Zeit zu Zeit zu erneuern scheint. In dem Bemühen, der unweigerlichen Verwitterung des Eises entgegen zu wirken, sind die Monumente mehr als überlebensgroß. Bei den Kreaturen, die sie darstellen, handelt es sich für gewöhnlich um das Clansymbol des Helden. So wird der

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