Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
meinen Becher und schwenkte ihn. Schwarze Tentakel stiegen von der siedenden Elfenrinde auf. Das Gebräu wurde immer dunkler, und ich nippte daran. Es schmeckte furchtbar bitter, doch die Kopfschmerzen hörten fast sofort auf.
»Glaubst du, du solltest das wirklich tun?«, erkundigte sich der Narr sachlich.
»Wenn ich das nicht glauben würde, würde ich das auch nicht tun«, erwiderte ich entspannt.
»Aber Chade …«
»Chade verfügt nicht über die Gabe, und er kennt weder die damit verbundenen Schmerzen noch weiß er, was man dagegen tun kann.« Zorn brannte in mir auf, meine Antwort war etwas schärfer ausgefallen, als ich beabsichtigt hatte. Ich war noch immer wütend auf Chade, weil er mir den vollständigen Inhalt der Nachricht verschwiegen hatte. Nach wie vor versuchte er, mein Leben zu beherrschen. Es ist schon seltsam, wenn man ein Gefühl wiederentdeckt, von dem man geglaubt hat, es sei längst verflogen, während es in Wahrheit immer unter der Oberfläche gegärt hat. Ich trank einen weiteren Schluck des bitteren Gebräus. Wie immer würde die Elfenrinde meine Laune auf einen Tiefpunkt sinken lassen und gleichzeitig die Rastlosigkeit in mir wecken. Das war eine üble Kombination, aber immer noch besser, als den ganzen Tag mit Gabenschmerzen im Schädel rumzulaufen.
Der Narr saß mehrere lange Augenblicke lang totenstill da. Dann griff er nach der Teekanne und fragte: »Wird die Elfenrinde keine Auswirkungen auf deinen Gabenunterricht mit Prinz Pflichtgetreu haben?«
»Für die ›Auswirkungen‹ hat der Prinz schon selbst gesorgt, indem er seit Tagen nicht mehr zum Unterricht erschienen ist. Elfenrinde hin oder her, ich kann keinen Schüler unterrichten, der nicht zu mir kommt.« Wieder verspürte ich diesen Hauch von Überraschung darüber, wie wütend ich war. Dass ich hier mit meinem alten Freund am Tisch saß, wohlwissend, dass ich gleich einen Streit mit ihm beginnen würde, ließ alles überkochen. Irgendwie war das alles seine Schuld, weil er sich die ganze Woche schon von mir ferngehalten und seiner Freundin zugleich gestattet hatte, die unsinnigsten Dinge über uns zu glauben.
Der Narr lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, die Teetasse zwischen seinen langen, eleganten Fingern. Er blickte an mir vorbei. »Nun. Wie es scheint, ist das etwas, worüber man mit dem Prinzen sprechen sollte.«
»Ist es. Aber es gibt auch etwas, das ich mit dir bereden muss.« Deutlich hörte ich den vorwurfsvollen Unterton in meiner Stimme, konnte aber nichts dagegen tun.
Ein langes Schweigen folgte diesen Worten. Kurz presste der Narr die Lippen aufeinander, als müsse er seine Zunge im Zaum halten. Dann trank er noch einen Schluck Tee. Er blickte mir in die Augen, und die Müdigkeit auf seinem Gesicht überraschte mich. »So. Es gibt da also etwas, hm?«, hakte er widerwillig nach.
Widerwillen nagte auch an mir, doch ich zwang mir die Worte über die Lippen. »Ja. Da gibt es etwas. Ich will wissen, warum du dieser Jek-Frau etwas gesagt hast, das sie glauben lässt, dass ich, dass wir, dass …« Ich hasste es, wenn ich einfach nicht die richtigen Worte finden konnte. Es war, als hätte ich Angst, meinen Gedanken Ausdruck zu verleihen, als könne es irgendwie wahr werden, wenn ich es laut aussprach.
Ein seltsamer Ausdruck huschte über das Gesicht des Narren. Er schüttelte den Kopf. »Ich habe ihr gar nichts gesagt, Fitz. Diese ›Jek-Frau‹, wie du sie nennst, ist durchaus fähig, über alles mögliche ihre eigenen Theorien zusammenzubrauen. Sie ist einer dieser Menschen, die man gar nicht erst anlügen muss; halte einfach ein paar Informationen zurück, und sie bastelt sich ihre eigenen Geschichten zurecht. Ein paar davon sind geradezu wild, wie du ja gesehen hast. In gewisser Hinsicht ähnelt sie Merle.«
Den Namen brauchte ich in diesem Augenblick nun wirklich nicht zu hören. Das war noch so eine, die glaubte, dass meine Beziehung zum Narren über Freundschaft hinausging. Jetzt erkannte ich auch, dass er Merle das auf die gleiche Weise hatte glauben lassen wie Jek. Daran gab es nichts zu rütteln: eine Bemerkung hier, eine Geste da, und das reichte vollkommen aus, um sich eine falsche Meinung zu bilden. Eine Zeit lang war es zwar ein wenig unangenehm, aber nichtsdestotrotz lustig gewesen, Merle in ihrem Irrglauben zu beobachten. Nun kam mir das, was der Narr getan hatte, jedoch demütigend und hinterlistig vor.
Er stellte die Tasse auf den Tisch. »Ich dachte, ich würde mich wieder stärker
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