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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sagt, es sei kein Verbrechen, über die Alte Macht zu verfügen. Weshalb wurden diese Leute dann hingerichtet?« Es folgte eine Namensliste. Ich las sie, und mir fiel auf, dass mindestens zwei vollständige Familiengruppen gemeinsam gestorben waren. Ich knirschte mit den Zähnen und hoffte, dass zumindest keine Kinder darunter gewesen waren, obwohl ich eigentlich gar nicht wusste, warum solch ein Tod für einen älteren Menschen leichter hätte sein sollen. Nur einen Namen auf der Liste glaubte ich zu erkennen, und selbst dann sagte ich mir, dass ich nicht sicher sein könne, dass es sich um dieselbe Frau handelte. Relditha Stock war vielleicht nicht dieselbe wie Rellie Stock. Eine Frau dieses Namens hatte bei jenen vom Alten Blut nahe Kronhals gelebt. Ich hatte sie mehrere Male im Haus des Schwarzen Rolf getroffen. Damals hatte ich den Eindruck gehabt, dass Rolfs Frau uns hatte verkuppeln wollen, doch Rellie war mir stets höflich, aber kühl begegnet. Vermutlich war sie das nicht, log ich mir selbst vor und versuchte, mir nicht vorzustellen, wie ihr lockiges braunes Haar in den Flammen des Scheiterhaufens verglühte. Auf dieser Nachricht fand sich weder ein Symbol noch sonst eine Art von Unterschrift.
    Die letzte Schriftrolle war so fest zusammengerollt, dass sie fast hart war. Vermutlich handelte es sich um die älteste. Als ich sie gewaltsam öffnete, brach sie in Stücke: zwei, drei und schließlich fünf. Sofort bereute ich das, aber nur so konnte ich sie lesen. Wäre sie noch länger zusammengerollt geblieben, wäre sie zu Staub zerfallen und hätte nie wieder gelesen werden können.
    Nachdem ich sie gelesen hatte, fragte ich mich, ob das nicht Chades Hoffnung und Absicht gewesen war.
    Das war die Schriftrolle, die kurz vor dem Verschwinden des Prinzen gekommen war. Das war die Nachricht, die Chade dazu veranlasst hatte, einen Reiter zu meiner Tür zu schicken und mit aller Dringlichkeit von mir zu verlangen, sofort nach Bocksburg zu kommen. Er hatte mir gesagt, wie die nicht unterschriebene Drohung lautete. Jetzt las ich die Worte selber: »Tut, was richtig ist, und niemand wird je etwas davon erfahren müssen. Ignoriert diese Warnung, und wir werden selbst zur Tat schreiten.«
    Was Chade ausgelassen hatte, waren die Worte, die davor standen. Die Tinte war ungleichmäßig in das Rindenpapier gesickert, und die zerknitterte Oberfläche machte es schwer zu lesen. Stur setzte ich es Stück für Stück zusammen. Dann lehnte ich mich zurück. Mein Atem setzte aus.
    »Der zwiehafte Bastard lebt. Ihr wisst es und wir auch. Ihr schützt ihn, denn er hat euch gedient. Ihr schützt ihn und lasst gleichzeitig ehrliche Männer und Frauen sterben, nur weil sie vom Alten Blut sind. Sie sind unsere Ehefrauen, unser Männer, unsere Söhne, unser Töchter, unsere Schwestern und unsere Brüder. Vielleicht werdet ihr mit dem Schlachten aufhören, wenn wir euch zeigen, wie es ist, einen der euren zu verlieren. Wie nahe muss der Schnitt sein, damit ihr blutet wie wir? Wir wissen viel von dem, worüber die Barden nicht singen. Die Alte Macht lebt noch immer in den Weitsehern. Tut, was richtig ist, und niemand wird je etwas davon erfahren müssen. Ignoriert diese Warnung, und wir werden selbst zur Tat schreiten.« Keine Unterschrift.
    Sehr, sehr langsam fand ich wieder zu mir selbst. Ich dachte über das Netz nach, das Chade gesponnen hatte, und fragte mich, warum er diese Drohung vor mir geheim gehalten hatte. In dem Augenblick, da der Prinz verschwunden war, in dem Augenblick, da er gewusst hatte, dass die Drohung ernst gemeint war, hatte er nach mir geschickt. Er hatte mich glauben lassen, dass die Gescheckten den Prinzen vor seinem Verschwinden in einem Brief bedroht hatten. Tatsächlich konnte man die Nachricht auch so deuten; aber die offensichtlichere Drohung hatte mir gegolten. Hatte Chade mich hierher gerufen, um mich zu beschützen, oder um die Weitseher vor einem Skandal zu bewahren? Dann verdrängte ich Chades Taten aus meinen Gedanken und beugte mich wieder vor, um die blasse Tinte auf der Rinde zu betrachten. Wer hatte das geschickt? Die Gescheckten schienen Freude daran zu haben, ihre Nachrichten mit dem Pferd zu unterzeichnen. Diese hier hatte jedoch ebenso wenig eine Unterschrift wie die mit der Todesliste. Ein paar der Buchstaben ähnelten einander stark. Die gleiche Hand könnte sie geschrieben haben. Die Botschaft mit der Unterschrift der Gescheckten war mit kühner Hand geschrieben, in großen Lettern; also

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