Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
man so etwas messen sollte. Aber so belagert habe ich mich nicht mehr gefühlt, seit Galens Kordiale ihre vereinten Kräfte gegen mich gerichtet hat.«
»Hm.« Chade lehnte sich zurück und blickte zur Decke. »Das Klügste wäre wohl, ihn auszuschalten. Freundlich natürlich. Es ist ja nicht sein Fehler, dass er eine Bedrohung für uns darstellt. Weniger radikal wäre es, ihn mit Elfenrinde vollzupumpen, bis sein Talent gedämpft oder gar zerstört ist. Aber da dein unbesonnener Einsatz dieses Krauts über die letzten zehn Jahre dich nicht vollkommen von der Gabe befreit hat, habe ich weniger Vertrauen darin, als die Verfasser der alten Schriftrollen. Tatsächlich neige ich zu der dritten Möglichkeit. Sie ist vielleicht ein wenig gefährlicher. Ich frage mich, ob das wohlmöglich sogar der Grund dafür ist, dass sie mir so gut gefällt, weil die Möglichkeiten so groß wie die Gefahren sind.«
»Du willst ihn ausbilden?« Auf Chades vorsichtiges Lächeln hin stöhnte ich. »Chade, nein. Wir wissen nicht genug, um sicher zu sein, Pflichtgetreu gefahrlos unterweisen zu können, und der ist ein umgänglicher Junge mit gesundem Geist. Dein Dick ist mir schon feindlich gesinnt. Seine Beleidigungen lassen mich befürchten, dass er weiß, dass ich über die Gabe verfüge. Und was er sich schon selbst beigebracht hat, scheint mir gefährlich genug zu sein, dass ich ihn nicht weiter unterrichten will.«
»Dann denkst du also, wir sollten ihn töten? Oder sein Talent verkrüppeln?«
Ich wollte das nicht entscheiden. Tatsächlich wollte ich noch nicht einmal wissen, welche Entscheidung getroffen wurde, doch hier war ich wieder, bis zum Hals in Weitseher-Intrigen. »Ich glaube, wir sollten keines von beidem tun«, murmelte ich. »Können wir ihn nicht einfach weit weg schicken?«
»Die Waffen, die wir heute wegwerfen, finden wir morgen an unseren Kehlen wieder«, erwiderte Chade. »Deshalb hat König Listenreich vor langer Zeit beschlossen, seinen Bastardenkel in der Nähe zu haben. Im Falle von Dick müssen wir die gleiche Entscheidung treffen. Entweder wir benutzen ihn, oder wir machen ihn nutzlos. Es gibt keinen Mittelweg, …« Er streckte mir die Hand entgegen und fügte hinzu: »… wie wir bei den Gescheckten gesehen haben.«
Ich weiß nicht, ob das als Tadel gemeint war, doch seine Worte schmerzten. Ich lehnte mich auf dem Stuhl zurück und ließ das nasse Tuch wieder auf meine Augen fallen.
»Was willst du, dass ich tue? Soll ich sie alle töten? Nicht nur die Gescheckten, die den Prinzen fortgelockt haben, sondern auch die Ältesten vom Alten Blut, die uns zur Hilfe gekommen sind? Und dann die Jagdmeisterin der Königin? Die Bresingas? Und …«
»Ich weiß, ich weiß«, unterbrach er mich, als ich den Kreis potentieller Zielobjekte immer mehr erweiterte. »Und doch sind sie hier. Sie haben uns gezeigt, dass sie schnell und zu allem fähig sind. Du bist kaum zwei Tage in Burgstadt, und sie wussten schon, wo du bist und waren bereit für dich. Gehe ich Recht in der Annahme, dass du vergangene Nacht zum ersten Mal in die Stadt runter gegangen bist?« Auf mein Nicken hin fuhr er fort: »Sie haben dich sofort gefunden und dafür gesorgt, dass du es weißt. Das ist ein Spiel.« Er atmete tief durch, und ich sah, wie er darüber nachdachte, welche Botschaft die Gescheckten wohl hatten übermitteln wollen. »Sie wissen, dass der Prinz über die Alte Macht verfügt, und sie wissen, dass du sie beherrschst. Sie können euch beide vernichten, wann immer es ihnen gefällt.«
»Das wussten wir bereits. Ich glaube, was ich heute Morgen erlebt habe, sollte etwas anderes bedeuten.« Ich nahm einen tiefen Atemzug, brachte Ordnung in meine Gedanken und berichtete Chade kurz, was geschehen war. »Ich sehe die Begegnung mit den Gescheckten jetzt in einem anderen Licht. Sie wollten mir Angst einjagen und mich dazu zwingen, darüber nachzudenken, wie ich vor ihnen in Sicherheit sein kann. Ich kann entweder eine Bedrohung für sie darstellen, die es zu eliminieren gilt, oder aber von Nutzen für sie sein.« Vor ein paar Stunden hatte ich das noch nicht so gesehen, aber jetzt kam es mir offensichtlich vor. Sie hatten mir Angst eingejagt und mich dann gehen lassen, um mir Zeit zu geben zu erkennen, dass ich sie nicht alle töten konnte. Ich konnte unmöglich wissen, wie viele inzwischen mein Geheimnis kannten. Wollte ich sicher sein, blieb mir nur eine Möglichkeit: Ich musste mich für sie nützlich machen. Was würden sie von mir
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