Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
Kopf wieder runterfallen, und der Mann nahm die Kelle weg. Ich keuchte leise. Am Rand meines Sichtfelds war alles schwarz, doch nach und nach zog sich die Dunkelheit zurück »Ist es Nacht?«
»An Orten wie diesem ist es immer Nacht«, antwortete der Mann traurig, und einen Augenblick lang erhaschte ich einen Blick auf den echten Mann hinter der Maske, jenen Mann, der viel zu viel Zeit an solchen Orten verbracht hatte. Ich fragte mich, wie lange er wohl schon für Chade arbeitete, dann kam mir der Gedanke, dass er vermutlich gar nicht wusste, wer ihn wirklich beschäftigte. Er schob den Hocker näher heran und sagte leise: »Es ist Nachmittag. Du bist jetzt zwei Tage hier. Als sie mich hier reingebracht haben, war der Heiler gerade mit dir zugange. Ich dachte, du wärst wach dabei gewesen. Kannst du dich nicht erinnern?«
»Nein.« Vielleicht hätte ich mich daran erinnern können, wenn ich es versucht hätte, aber ich war mir plötzlich sicher, dass ich mich nicht daran erinnern wollte. Zwei Tage. Mich verließ der Mut. Falls Chade mich schnell hier hätte rausholen können, hätte er es schon längst getan. Das meine Verhaftung schon zwei Tage her war, ließ mich vermuten, dass ich damit rechnen musste, noch länger hier drin zu bleiben. Ein schmerzhafter Stich unterbrach diesen Gedankengang. Ich versuchte, mich wieder zu konzentrieren. »Ist noch niemand gekommen und hat angeboten, das Bußgeld für mich zu bezahlen?«
Der Mann starrte mich mit großen Augen an. »Bußgeld? Mann, du hast drei Menschen umgebracht. Dafür ist nicht nur ein Bußgeld fällig.« Dann besänftigte er seine Stimme plötzlich. Ich verdaute noch immer, dass ich am Galgen enden könnte, als er hinzufügte: »Da war ein Mann, der gekommen ist, nachdem der Heiler mit dir fertig war. Irgendein hoher Herr, ganz auffällig gekleidet und ausländisch. Du warst nicht bei Bewusstsein, und sie wollten ihn nicht hereinlassen. Er hat zu wissen verlangt, was aus der Börse geworden sei, die du für ihn dabei hattest. Die Wachen haben ihm gesagt, sie wüssten nichts davon. Daraufhin ist er richtig wütend geworden und hat ihnen gedroht, sollte sein Eigentum nicht vollständig an ihn zurückgegeben werden, würde er drastische Maßnahmen ergreifen. Er hat gesagt, du hättest eine kleine rote Börse mit einem Vogel darauf dabeigehabt, einem … einem Fasan. Er wollte nicht sagen, was darin war, nur dass es sehr wertvoll sei und dass er es wiederhaben wollte.«
»Fürst Leuenfarb?«, fragte ich schwach.
»Ja, das war sein Name.«
Ich hatte keine Ahnung, wovon der Narr geredet hatte. »Ich erinnere mich an keine Börse«, sagte ich. Der Schmerz hüllte mich ein wie eine Flut. Ich versuchte, an meinen Gedanken festzuhalten, doch es gelang mir nicht. Schließlich schob ich meine Angst beiseite und erkannte, dass sie meinen Zorn verdeckt hatte. Ich hatte das nicht verdient. Warum hatten sie mich hier gelassen? Ich könnte hier sterben.
Ich fühlte, wie Pflichtgetreu am Rand meines Geistes herumfummelte. »Ich bin so müde«, sagte ich. Eigentlich hatte ich das über die Gabe schicken wollen, stattdessen sprach ich es laut aus. Der Schmerz meiner Wunde breitete sich vom Rücken, über die Hüfte bis ins Bein aus. Im rechten Arm hatte ich keine Kraft mehr. Ich schloss die Augen, konzentrierte mich und versuchte, zum Prinzen hinauszugreifen, doch anstatt ihn zu erreichen, stürzte ich in Dunkelheit.
Was die nächsten Tage betraf, so erinnere ich mich nur an einzelne Bilder wie bei einem Gewitter, wenn der Blitz das Land erleuchtet. Die paar Erinnerungen sind zwar scharf umrissen, aber so kurz, dass sie keinerlei Bedeutung haben: ein Mann – ich vermute der Heiler – blickt in eine Schüssel mit meinem Blut und erklärt, es sei zu dunkel; mein Zellengenosse beschwert sich bitterlich bei jemandem an der Tür, dass der Gestank unerträglich sei. Ich starrte auf ein seltsames Strohmuster auf dem Boden, während Harm irgendjemandem Obszönitäten an den Kopf warf. Verzweifelt wünschte ich, er solle schweigen, damit sie ihm nicht auch noch wehtun. Bei Bewusstsein zu sein, hieß, Angst zu haben. Krank, verletzt und ängstlich. Allein. Sie hatten mich hier zum Sterben allein gelassen, damit ich sie nicht in Verlegenheit brachte. Im Schlaf kehrten Nachtauges alte Albträume von einem schmutzigen Käfig und einem Wärter zurück, der ihn ständig schlug.
Die Gabe ist eine Magie, die körperliche Kraft verlangt, einen klaren, geistigen Fokus und einen starken
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