Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
Versuch es.«
Dann spürte ich die Berührung des Narren auf meinem Rücken. Wo Pflichtgetreus Finger schon kalt auf meiner heißen Haut gewesen waren, waren die Hände des Narren wie Eisbrocken. Sie untersuchten mich. Diese gefürchtete, herbeigesehnte Berührung schien eine Ewigkeit zu dauern.
Vor langer Zeit hatte der Narr mich auf meiner Suche nach Veritas in die Berge begleitet. Als er mir geholfen hatte, mich um unseren erschöpften König zu kümmern, war er sorglos mit Veritas von der Gabe überzogenen, silbernen Händen in Berührung gekommen. Diese physische Manifestation der Gabenmagie hatte wie Quecksilber geschimmert. Der Kontakt mit der reinen Magie hatte den Narren für immer gezeichnet. Das Silber der Magie war mit der Zeit verblasst, doch es war noch immer genügend auf seinen Fingerspitzen übrig, dass ich einmal beobachten konnte, wie der Narr sie beim Schnitzen benutzt hatte. Durch sie erkannte er alles, was er berührte, bis in die kleinste Kleinigkeit, egal ob nun Holz, Pflanze oder Tier … oder mich. Vor langer Zeit hatte er seine Fingerabdrücke auf meiner Haut hinterlassen. Fürst Leuenfarb verbarg seine Gabenfinger mit Handschuhen, doch die Hände, die nun meinen Rücken berührten, waren nackt.
Ich fühlte genau, wann seine mit der Gabe überzogenen Finger mit meiner Haut in Kontakt kamen. Schärfer als das Schwert, das meine Eingeweide aufgerissen hatte, drang seine eiskalte Berührung in mich ein. Doch weder Schmerz noch Vergnügen war damit verbunden. Es war, als ob wir dieselbe Haut teilen würden. Ich war selbst zum Zittern zu schwach und betete, dass der Narr nicht noch tiefer in mich eindringen würde. Ich hätte keine Angst haben müssen. Ich fühlte die Ehre des Narren in dieser Berührung, eine Ehre, die wie eine Rüstung zwischen uns stand. Es war nur mein Leib, den er untersuchte, nicht mein Herz und auch nicht meinen Verstand. In diesem Augenblick wurde mir schrecklich bewusst, welches Unrecht ich meinem Freund angetan hatte. Er würde nie etwas von mir verlangen, was ich ihm nicht zuerst angeboten hätte. Ich hörte ihn sprechen, und die Worte erreichten nicht nur meine Ohren, sondern besaßen auch ein Echo in der Gabe.
»Ich kann den Schaden sehen, Chade. Die Muskeln sind wie gerissene Stricke, die sich eingerollt haben, und wo die Klinge ihn durchbohrt hat, breitet sich Fäulnis und Gift in seinen Eingeweiden aus. Sein Blut transportiert es dann durch seinen Leib. Nicht nur diese Wunde ist giftig. Das Übel hat sich bereits in seinem ganzen Körper verbreitet wie Tinte im Wasser. Es hat ihn überwältigt, Chade. Das Problem liegt nicht nur hier, wo die Klinge eingedrungen ist, sondern auch dort, wo sein Körper versucht, es wieder in Ordnung zu bringen, es in Wahrheit aber nur schlimmer macht.«
»Kannst du es reparieren? Kannst du seinen Leib heilen?« Chades Stimme klang erstickt und schwach, aber vielleicht kam mir das nur so vor, weil die Gedanken des Narren so laut gewesen waren.
»Nein. Ich sehe, was falsch ist, aber eine Verletzung wahrzunehmen, heißt nicht, sie zu heilen. Er ist kein Stück Holz, ich kann die faulen Teile nicht einfach wegschneiden. « Der Narr schwieg, doch ich fühlte, wie er in diesem Schweigen kämpfte. Dann sagte er verzweifelt: » Wir haben versagt. Er stirbt.«
»Nein, o nein. Nicht mein Junge, nicht mein Fitz. Bitte, nein.« So leicht wie fallendes Laub legte der alte Mann die Hände auf mich. Ich wusste, wie verzweifelt er sich wünschte, mich wieder gesund zu machen. Dann schienen seine Hände in mich einzudringen, und seine Berührung brannte wie Alkohol in meinen Adern. Irgendjemand schnappte nach Luft, und ich fühlte, fühlte, wie der Geist des Narren mit Chades verschmolz. Sie verbanden sich in mir. Es war ein schwaches Ding, diese Gabentat. Die Stimme des alten Mannes drohte zu brechen, als er schrie: »Pflichtgetreu. Nimm meine Hand. Gib mir deine
Stärke.«
Pflichtgetreu schloss sich ihnen an. Das unterbrach alles. Licht explodierte in meiner Dunkelheit. »Holt Dick!«, brüllte irgendjemand. Es war egal. Lange Zeit fiel ich einfach nur und wurde immer kleiner und kleiner. Ich hörte Wolfsgeheul. Es wurde lauter.
Dann sah ich ein Licht. Es war nicht heiß, es war nur schrecklich durchdringend. Ich fiel in das Licht hinein und wurde eins mit ihm. Es schien aus dem Inneren meiner Augen zu kommen. Ich konnte ihm nicht entgehen. Es war Licht, das brannte, aber nicht erhellte. Ich konnte nichts sehen. Es war unerträglich
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