Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
Brust des Pferdes stecken. Der Hengst sprang gegen die Wände und schrie seine Wut heraus. Wäre der Schuppen nicht so eng gewesen, das Tier hätte mich sicherlich getötet, bevor es selbst starb. So jedoch brach es schließlich zusammen, und Blut lief ihm aus Maul und Nüstern, als die Stadtwache eintraf. Die Fackeln der Männer erhellten die Winternacht und sandten verwirrende Schatten über mich.
»Was geht hier vor?«, verlangte der Sergeant zu wissen, und als er mich erkannte, knurrte er: »Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass du Ärger in meinen Straßen machst. Das gefällt mir ganz und gar nicht.«
Ich versuchte, mir eine Erklärung auszudenken, doch mein rechtes Bein klappte plötzlich unter mir zusammen, und ich fiel in den zertrampelten Schnee. »Hier sind zwei Tote!«, rief irgendjemand. Ich rollte den Kopf herum und sah ein Mädchen in Milizuniform und mit weißem Gesicht aus Lutwins Haus kommen. Ich blinzelte und versuchte, die dunkle Straße hinunter zu sehen. Gentils Pferd war verschwunden. Es war entweder durchgegangen, oder dem Jungen war die Flucht gelungen. Als ich versuchte, mich zu bewegen, wurde ich mir des warmen Blutes an meiner Seite bewusst. Ich drückte die Hand auf meine Wunde.
»Steh auf!«, bellte der Sergeant mich an.
»Ich kann nicht«, keuchte ich. Ich hob die Hände und zeigte ihm das Blut. »Ich bin verletzt.«
Der Sergeant schüttelte frustriert den Kopf, und ich wusste, dass er mir nur allzu gerne noch ein paar Wunden zugefügt hätte. Er war ein Mann, der seine Pflichten persönlich nahm. »Was ist hier passiert?«
Ich schnappte nach Luft. Im nächsten Moment dankte ich dem Himmel für den Sohn des Ziegenhirten, der barfuß aus dem Haus gerannt kam und verwirrt schrie, das Pferd sei wahnsinnig geworden und habe versucht, den Schuppen einzureißen, da sei ich dann rausgekommen und hätte es erschlagen. Der Schnee unter meinem Rücken wurde warm und nass, und ich fühlte, wie die Nacht sich um mich herum schloss.
Tom? Die Gabe des Prinzen drang durch meine zusammenbrechenden Mauern. Tom, bist du verletzt?
Geh weg!
Der Sergeant beugte sich über mich und verlangte zu wissen: »Was ist da drin passiert?«
Mir fiel keine Lüge ein, also sagte ich ihm die Wahrheit. »Das Pferd ist verrückt geworden. Ich musste es töten.«
»Ja, das wissen wir. Aber was ist mit den Männern in dem Haus passiert?«
Tom? Bist du verletzt?
Ich versuchte, dem Prinzen über die Gabe zu antworten, doch der Schmerz floss nun in Wellen durch meinen Körper und nagelte mich förmlich im Schnee fest. Um uns herum hatte sich eine Zuschauermenge versammelt. Ich ließ meinen Blick über ihre Gesichter schweifen und hielt vergeblich nach jemandem Ausschau, der mir hätte helfen können. Alle starrten mich einfach nur mit großen Augen an und riefen einander Erklärungen zu. Dann entdeckte ich ein Gesicht, das ich kannte. Für einen Augenblick trat sie näher an mich heran, und ihr Gesicht wirkte ehrlich besorgt. Henja, die Dienerin der Narcheska, blickte auf mich herunter. Als sich unsere Blicke jedoch trafen, wandte sie sich rasch von mir ab und verschmolz mit der Menge.
Chade! Sie ist noch immer hier, hier in Burgstadt! Einen Moment lang wusste ich, wie wichtig das war. Es war von allergrößter Bedeutung, dass Chade davon erfuhr. Dann spülte der Schmerz alle Sorgen davon. Ich starb.
Stop. Mach, dass es aufhört. Du ruinierst die Musik. Dicks Verzweiflung schlug gegen mich wie die Brandung gegen ein Kliff.
»Antworte mir!«
Keine Lügen mehr und auch keine Wahrheit. Ich blickte zu dem Sergeanten hinauf und versuchte zu sprechen. Dann versank ich in Dunkelheit. Halte Wache, Nachtauge, flehte ich, doch ich erhielt keine Antwort, und kein Wolf stand über mir.
Kapitel 20
Kordiale
Die Menschen der Sechs Provinzen waren schon immer sehr unabhängig. Allein die Tatsache, dass das Königreich noch stets in sechs Herzogtümer unterteilt ist, die zwar der Weitseherkrone verschworen sind, aber von ihren eigenen Edelleuten regiert werden, spricht für diesen selbstständigen Geist. Jedes Herzogtum repräsentiert die separate Annektierung eines Territoriums, für gewöhnlich durch Krieg. In vielen Fällen war der erobernde Weitseher klug genug, den einheimischen Adel in Amt und Würden zu lassen. Das gilt insbesondere für die Herzogtümer Farrow und Bearns. Ein Vorteil dieses Systems ist, dass die Gesetze den individuellen Bedürfnissen des jeweiligen Herzogtums sowie den Sitten seiner Bewohner
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