Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
Ordnung, doch stattdessen erklärte ich ihm: »Ich habe erwartet, dort unten zu sterben. Allein.« Die bruchstückhaften Erinnerungen an meine Gefängniszeit brachen wieder über mich herein. Ich erinnerte mich sowohl an mein Entsetzen als auch an meine Verzweiflung, und ich empfand Wut darüber, dass ich diese Erinnerungen ertragen musste. Sie hatten mich dort gelassen. Chade, der Narr, Kettricken, Pflichtgetreu – sie alle.
»Ich habe das Gleiche befürchtet«, sagte Chade leise. »Es war eine schwierige Zeit für uns alle, aber für dich war sie wohl am Schlimmsten. Trotzdem, hättest du auf mich gehört …«
»Nun, natürlich war das alles meine Schuld. Das ist es ja immer.«
Fürst Leuenfarb sprach über die Schulter zu Chade. »Wenn er so ist, kann man nicht mit ihm reden. Ihr werdet ihn nur noch mehr aufregen. Am Besten, Ihr lasst es erst einmal auf sich beruhen.«
»Sei still!«, brüllte ich ihn an, doch meine Stimme brach und wurde beim zweiten Wort zu einem Quieken. Chade blickte mich in stummem Tadel und voller Sorge an. Ich zog die Knie an die Brust und saß wie ein Ball auf dem Stuhl. Mein Atem ging schnell und abgehackt. Ich schnappte nach Luft und wischte mir mit dem Ärmel über die Augen. Ich würde nicht weinen. Sie erwarteten von mir, dass ich auseinander brach, doch das würde ich nicht. Ich war krank gewesen, und ich hatte eine schlimme Narbe davongetragen. Das war alles. Langsam beruhigte sich meine Atmung wieder. »Rede einfach mit mir«, bettelte ich Chade an. Ich streckte meine zitternden Beine wieder aus. Ich hasste diese Schwäche, die mich so plötzlich befallen hatte. »Erzähl mir, was geschieht, ohne dass ich dir dumme Fragen stellen muss. Fang mit Gentil an.«
Chade seufzte. »Ich glaube nicht, dass das klug wäre. Ich glaube, du solltest nicht nur deinen Leib, sondern auch deinen Geist ausruhen.« Ich wollte protestieren, doch Chade hob die Hand, um mir Einhalt zu gebieten. »Nichtsdestotrotz werde ich dir in diesem Punkt deinen Willen lassen. Nun gut. Gentil. Er hat sich sein Pferd geschnappt und ist so schnell wie möglich nach Bocksburg zurückgeritten, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Als er bei Pflichtgetreu eintraf, konnte er kaum noch Krächzen, so sehr hatte ihn der Kampf mitgenommen. Aber er brachte heraus, dass Fürst Leuenfarbs Diener ihn vor Mördern in Burgstadt gerettet hatte. Mehr hat er Pflichtgetreu in diesem Augenblick nicht erzählt. Das reichte dem Prinzen jedoch, um zu mir zu laufen. Ich habe dann meine Leute in Bewegung gesetzt.«
Er räusperte sich und gab dann zu: »Es hat länger gedauert, dich zu finden, als es hätte dauern dürfen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass du irgendjemanden umbringen würdest, und auch nicht, dass die Stadtwache dich lebend in die Finger bekommen würde. Aber nachdem ich erfahren hatte, dass du verhaftet und angeklagt worden warst, habe ich so schnell es ging einen Mann in deine Zelle geschleust. Unglücklicherweise hatten sie schon einen Heiler geholt, sodass ich keinen von meinen schicken konnte. Der Sergeant war ausgesprochen stur, was deine Freilassung betraf. Er war fest davon überzeugt, dass du die drei Männer ermordet hattest, und dank der Tatsache, dass du schon einmal in eine Schlägerei verwickelt warst, betrachtete er dich ohnehin als Störenfried. Fürst Leuenfarb musste sich dreimal wegen seiner verlorenen Edelsteine beschweren, bevor die Wachen zu Lutwins Haus gegangen sind und sie dort gefunden haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits jemanden an der Hand, der bezeugte, dass du den Kampf nicht begonnen hast. Mehr konnte ich nicht tun. Als der Sergeant sich schließlich zusammengereimt hatte, dass du nur das Eigentum deines Herrn hattest verteidigen wollen, wäre es fast zu spät gewesen.«
»Mehr konntest du nicht tun«, sagte ich schlich. Ich war allein gewesen. Kalt und sterbend. Und er hatte ›nicht mehr tun‹ können.
»Die Königin war entschlossen einzugreifen. Sie wollte schlicht persönlich runtergehen und dich aus der Zelle holen. Das konnte ich nicht zulassen, Fitz, denn da waren noch andere Gescheckte. Am Tag nachdem du Lutwin getötet hast, tauchten an mehreren Stellen Aushänge auf, auf denen zu lesen stand, dass Padget und Lutwin zu den Zwiehaften gehörten, und dass die Agenten der Königin sowohl sie als auch ihre Geschwistertiere getötet hätten. Sie verspotteten ihre ›angebliche‹ Absicht, der Verfolgung der Zwiehaften ein Ende zu bereiten. Die Aushänge warnten alle vom
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