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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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erwartete keine Reaktion darauf und bekam auch keine.
    Ich besaß einfach nicht genügend Kraft. Ich musste so oft auf der Treppe anhalten, um mich zu erholen, dass meine Kerze drohte, runterzubrennen und mich in der Dunkelheit allein zu lassen. Als ich die Kammer erreichte, war all mein Ehrgeiz wie weggeblasen. An der Tür sprang mir das Frettchen entgegen. Gilly vollführte einen wilden Tanz und lud mich damit zu einem Kampf um sein Revier ein. »Du kannst es haben«, sagte ich ihm. »Du würdest vermutlich ohnehin gewinnen.« Ich setzte mich auf die Bettkante, legte mich hin und schlief ein.
    Als ich nach einiger Zeit schließlich wieder aufwachte, schlief das Frettchen unter meinem Kinn. Als ich mich rührte, floh Gilly. Es war offensichtlich, dass irgendjemand gekommen und wieder gegangen war. Es beunruhigte mich, dass ich trotzdem weitergeschlafen hatte. Als ich mit meinem Wolf verschwistert gewesen war, hatte sein Geist stets durch meine Sinne Wache geschoben. Er hätte mich geweckt, wenn er einen Eindringling wahrgenommen hätte. Ich kam zu dem Schluss, dass ich zu abhängig von diesen wilden Sinnen geworden war, als ich die Beine vom Bett hinunter schwang. Ich war zu abhängig von allem und jedem geworden.
    Teller, Besteck und eine Flasche Wein standen auf dem Tisch. Am Rand des Feuers wurde ein Topf mit Suppe warmgehalten, und der Vorrat an Feuerholz war aufgefüllt worden. Ich stand auf und ging sofort zum Essen. Ich aß, trank und wartete, und während ich wartete, las ich mir die Schriftrollen durch, die man für mich dagelassen hatte. Da war ein Bericht von irgendjemandem über Eisfeuer und die OutislanderDrachen. Daneben lag ein Spionagebericht über Bingtown und seinen Krieg mit Chalced. Eine alte Schriftrolle mit einer Zeichnung der Rückenmuskulatur eines Menschen war überarbeitet worden. Die neuen, detaillierten Eintragungen waren in Chades Handschrift geschrieben. Nun, wenigstens hatte meine Reise durch den Abgrund des Todes zu neuen Erkenntnissen geführt. Neben dieser Schriftrolle lagen noch drei weitere, die zusammengebunden waren. Sie waren alt und verblasst und alle in derselben Hand geschrieben. Es handelte sich um eine Reihe von Gabenübungen, die ausdrücklich dafür ausgelegt waren, sie alleine durchzuführen. Ich runzelte die Stirn und fragte mich, was das zu bedeuten hatte. Nachdem ich ein paar Minuten in ihnen gelesen hatte, wusste ich es. Es handelte sich um Übungen für Gabennutzer, die keine Kordiale hatten. Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, dass es solche Menschen geben könnte. Offensichtlich gab es sie aber, ich war ja selbst zu so jemandem geworden … oder? Es hatte schon immer Menschen gegeben, die mit anderen einfach nicht zurechtkamen oder schlicht die Einsamkeit vorzogen. Bei der Bildung von Kordialen wurden einige unweigerlich ausgeschlossen. Diese Übungen waren für solche Menschen.
    Beim Lesen gewann ich den Eindruck, dass diese Leute zumeist als Spione oder Heiler eingesetzt worden waren. Die in der ersten Schriftrolle beschriebenen Übungen beschäftigten sich hauptsächlich mit dem subtilen Gebrauch der Gabe zum Lauschen oder wie man anderen Menschen Gedanken einpflanzt. Die zweite Schriftrolle beschrieb, wie man den Körper eines Menschen wieder instand setzt. Das faszinierte mich nicht nur, weil ich vor Kurzem solch einer Prozedur unterzogen worden war, sondern auch weil dieser Text bestätigte, was ich bereits vermutet hatte. Was ein Mann mit der Gabe und seiner Willenskraft begann, wurde oft von seinem Körper übernommen. Der Körper verstand, was es hieß zu heilen, und er verstand auch, dass schnelles Heilen manchmal wichtiger war als perfektes, dass das Schließen der Wunde meist bedeutender war als das Glätten der Haut. So wurde es zumindest in der Schriftrolle formuliert. Der Leib wusste, wie man Kraft für die Bedürfnisse des nächsten Tages sparte. Die Schriftrolle warnte Gabennutzer davor, die Neigungen des Körpers zu ignorieren und den Heilprozess nicht zu eifrig in die eigenen Hände zu nehmen. Ich fragte mich, ob Chade diesen Teil gelesen hatte.
    Die dritte Schriftrolle beschäftigte sich mit der Instandhaltung des eigenen Körpers. Auf dieser letzten Schriftrolle hoben sich Chades frische Notizen deutlich von dem alten, ausgeblichenen Text ab. Diese Anmerkungen beschrieben Chades erste vergebliche Versuche, sowie seine Erfolge in letzter Zeit. Das war es, was er mich hatte sehen lassen wollen; diese Anmerkungen waren der Grund, warum

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