Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
in Gefahr bringen außer mich selbst. Aber nachdem ich erst einmal damit begonnen habe, und seit ich weiß, wie es sich anfühlt, kann ich nicht mehr zurück. Unmöglich.«
Er machte sich auf den Weg zur Tür. Ich atmete rasselnd ein. Meine Kraft war fast aufgebraucht. »Hast du mich nicht verstanden, Chade? Was du fühlst, ist der Sog der Gabe, vor dem ich meine Schüler warne! Du wagst dich auf eigene Gefahr in den Gabenfluss vor. Wenn wir dich verlieren, ist die Kraft der gesamten Kordiale gemindert, und wenn du Dick mitnimmst, ist sie sogar vernichtet.«
Chade hatte die Hand bereits auf die Türklinke gelegt. Er drehte sich nicht wieder zu mir um. »Du brauchst Ruhe, Fitz. Du solltest dich nicht so aufregen. Wenn du dich besser fühlst, werden wir noch einmal darüber reden. Du weißt, dass ich ein vorsichtiger Mann bin. Vertrau mir in dieser Sache.« Dann war er verschwunden.
Ich sackte auf meinem Stuhl zusammen. Meine Kehle und mein Mund waren vollkommen trocken, und in meinem Kopf pochte es. Ich hob die Hände, um meine Augen vor dem Licht zu schützen. Dann fragte ich in diese Dunkelheit hinein: »Hast du es jemals erlebt, dass du jemanden liebst, diesen Jemand manchmal aber nicht sonderlich leiden kannst?«
»Soll das eine Fangfrage sein?«, bemerkte der Narr trocken dicht hinter mir. Dann hörte ich ihn, ohne dass er auf eine Antwort wartete, weggehen.
Ich musste auf dem Stuhl eingeschlafen sein. Als ich wieder aufwachte, war bereits Nachmittag, und mir taten die Knochen vom Schlafen auf dem Stuhl weh. Trotz Robe und Decke war mir kalt geworden. Mittlerweile hatte man mir offensichtlich das Mittagessen gebracht. Auf der Oberfläche der Brühe war Fett geronnen. Auch Fleisch stand vor mir, doch es war kalt geworden. Nach zwei Bissen war ich des Kauens müde. Ich zwang mich, zuende zu essen, doch ich hatte das Gefühl, als hätte ich einen Klumpen im Bauch. Sie hatten mir gewässerten Wein gegeben und auch wieder Brot in Milch. Ich wollte das nicht, doch ich hätte auch nicht sagen können, was ich denn wollte. Ich zwang mich, es zu essen.
Die schreckliche Schwäche, die ich empfand, machte mich weinerlich wie ein Kind. Ich schlurfte in meine Kammer zurück. Ich wollte mir das Gesicht waschen, um zu sehen, ob mich das aus meiner Lethargie wecken konnte. Es war Wasser im Krug, und daneben lag ein Tuch zum Abtrocknen, doch mein Spiegel war weg. Vermutlich hatte Kettricken ihn wegschaffen lassen, als sie meine Kammer umgestaltet hatte. Ich wusch mich, fühlte mich aber nicht lebendiger. Ich ging wieder ins Bett.
Noch zwei weitere Tage vergingen in diesem Dunst aus Schwäche und Mattigkeit. Ich aß, und ich schlief, doch meine Kraft schien nur schrecklich langsam wieder zurückzukehren. Chade besuchte mich nicht. Das überraschte mich nicht, aber auch Pflichtgetreu ließ sich nicht sehen. Hatte Chade ihm befohlen, sich von mir fernzuhalten? Fürst Leuenfarb hatte mir nur wenig zu sagen, und er schickte all meine Besucher mit der Bemerkung weg, dass es mir noch nicht gut genug ginge, sie zu empfangen. Zweimal hörte ich Harms besorgte Stimme und einmal Merle. Ich besaß nicht genug Energie, mich zu bewegen, doch das Nichtstun machte mich krank. Ich lag allein in meinem Bett oder saß auf dem Stuhl am Kamin. Ich machte mir Sorgen, und mir war langweilig. Ich dachte über die Gabenschriften oben in Chades alter Kammer nach, doch die Aussicht auf die steilen Treppen schreckte mich ab. Auch konnte ich mich nicht dazu durchringen, den Narren um den Gefallen zu bitten, sie mir zu holen. Das lag nicht nur daran, dass er sich nie hinter Fürst Leuenfarbs Fassade vorwagte. Der eigentliche Grund dafür war, dass wir uns beide darauf versteift hatten, uns kalt zu ignorieren. Natürlich verschärfte das unseren Konflikt nur, doch ich konnte mich nicht dazu überwinden, es anders zu machen. Meiner Meinung nach hatte ich schon genug getan, um alles wieder in Ordnung zu bringen, war beim Narren jedoch nur auf Widerstand gestoßen. Ich wollte ihm jedoch irgendwie zeigen, dass ich die Sache geklärt haben wollte. Ihm schien es nicht so zu gehen. So verstrichen zwei elende Tage.
Am dritten Tag stand ich in der festen Absicht auf, mich endlich aufzuraffen. Wenn ich herumlief, als wäre ich gesund, vielleicht würde ich mich dann auch so fühlen. Ich wusch mich und beschloss dann, mich zu rasieren. Die Stoppeln entwickelten sich langsam zu einem ordentlichen Bart. Langsam ging ich zur Tür meiner Kammer und schaute mich um.
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