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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Fürst Leuenfarb saß am Tisch, inspizierte ein Dutzend Seidentaschentücher in verschiedenen Gelb- und Orangetönen und hielt sie gegeneinander. Ich räusperte mich. Er bewegte sich nicht. Nun gut.
    »Fürst Leuenfarb, verzeiht, wenn ich Euch störe. Ich scheine meinen Rasierspiegel verlegt zu haben. Könnte ich mir vielleicht einen von Euch borgen?«
    Er drehte sich nicht um. »Hältst du das für klug?«
    »Klug? Einen Spiegel zu borgen? Mich ohne zu rasieren, kommt mir noch weitaus dümmer vor.«
    »Ich habe gemeint, ob du es für klug hältst, dich überhaupt zu rasieren?«
    »Ich glaube, das ist überfällig.«
    »Nun denn. Es ist deine Entscheidung.« Sein Tonfall war neutral und kalt, als hätte ich etwas Riskantes vor, an dem er nicht teilhaben wollte. Er ging in sein Zimmer und kehrte kurz darauf mit einem aufwendigen, silberumrahmten Handspiegel wieder zurück.
    Als ich ihn hochhob, fürchtete ich mich davor, was mich erwartete. Was ich sah, versetzte mir einen Schock. Ich ließ den Spiegel fallen. Nur durch Glück zerbarst er nicht, als er auf den Teppich prallte. Ich war schon einmal vor lauter Schmerzen ohnmächtig geworden, aber aus purer Überraschung wohl noch nie. Wie auch immer, ganz verlor ich das Bewusstsein auch nicht, sondern sank schlicht auf den Boden und blieb dort hocken.
    »Tom?«, fragte Fürst Leuenfarb verärgert und überrascht zugleich.
    Ich hatte keine Augen für ihn. Stattdessen zog ich den Spiegel über den Teppich zu mir heran und starrte in ihn hinein. Dann berührte ich mein Gesicht. Die Narbe, die ich so lange mit mir herumgetragen hatte, war verschwunden. Meine Nase war nicht wirklich gerade, aber der alte Bruch war nicht mehr wirklich sichtbar. Ich untersuchte die Stelle, wo mein Hals in die Schulter auslief. Vor Jahren hatte ein Gewandelter mir dort ein Stück Fleisch herausgebissen. Die Haut war glatt.
    Ich hob den Kopf und schaute Fürst Leuenfarb konsterniert in die Augen.
    »Warum?«, fragte ich ihn wild. »Warum, in Edas Namen, habt ihr mir das angetan? Alle werden sie diese Veränderung an mir bemerken. Wie soll ich das erklären?«
    Fürst Leuenfarb trat einen Schritt auf mich zu. Verwirrung lag in seinen Augen. Widerwillig sagte er: »Aber Tom Dachsenbless, wir haben gar nichts mit dir gemacht.« Ich weiß nicht, wie mein Gesicht bei diesen Worten aussah, aber er wich instinktiv vor mir zurück. In sachlichem Tonfall fuhr er fort: »Wir haben wirklich nichts mit dir gemacht. Wir haben nur daran gearbeitet, die Wunde in deinem Rücken zu schließen und das Gift aus deinem Blut zu holen. Als ich sah, wie deine alte Narbe zu pochen begann und neues Fleisch ausbildete, habe ich ihnen zugerufen, dass wir aufhören mussten. Doch selbst nachdem wir unsere Hände gesenkt hatten und von dir weggegangen waren …«
    Ich versuchte, mich an diesen Augenblick zu erinnern, doch es gelang mir nicht. »Vielleicht haben mein Körper und meine Gabe fortgesetzt, was ihr begonnen habt. Ich erinnere mich nicht.«
    Fürst Leuenfarb legte die Hand auf den Mund und blickte auf mich hinunter. »Chade …« Er zögerte, dann zwang er sich weiterzureden. Seine Stimme klang fast wie die des Narren. »Ich glaube, Lord Chade hat gefühlt … Nein, ich sollte nicht mutmaßen, was er gefühlt hat. Aber ich denke, er hat geglaubt, du hättest ihm verheimlicht, wie man mit der Gabe heilt – obwohl du genau wusstest, wie man es macht.«
    »Bei Eda und El …«, stöhnte ich. Ich war nie sonderlich gut darin gewesen, selbst herauszufinden, was andere Menschen fühlten, solange sie es mir nicht direkt sagten. Ich hatte gefühlt, dass da etwas war, nur das hier hatte ich am Wenigsten erwartet. Selbst wenn ich gewusst hätte, dass mein Körper von den Narben befreit worden war, ich hätte niemals vermutet, dass Chade sich wegen eines eingebildeten Geheimnisses hintergangen fühlen könnte. Deshalb war er Letztens also so überstürzt verschwunden. Er war entschlossen herauszufinden, was ich vor ihm verbarg. Ich zog die Beine an und stand ohne Hilfe auf. Nicht, dass Fürst Leuenfarb mir welche angeboten hätte. Ich gab ihm den Spiegel zurück und drehte mich zu meiner Kammer um.
    »So. Du hast deine Meinung in Bezug auf das Rasieren geändert, Tom Dachsenbless?«, fragte mich Fürst Leuenfarb.
    »Fürs Erste, ja. Ich gehe zu Chades alter Kammer rauf. Wenn du ihn wissen lassen könntest, dass ich ihn dort zu sehen wünsche, wäre ich dir sehr verbunden.« Ich sprach mit ihm, als wäre er der Narr. Ich

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