Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
wusste nicht, was ich jetzt tun sollte, nun da so ein gut behütetes Geheimnis plötzlich laut ausgesprochen worden war. Eine schreckliche Dunkelheit hüllte mich ein, schlimmer als alles, was Elfenrinde je bei mir hervorgerufen hatte. Die Tränen traten mir in die Augen. Wenn ich still sitzen blieb, würden sie mir vielleicht nicht die Wangen hinunter laufen.
Dampfwolken stiegen aus dem Wasserkessel auf, und Pflichtgetreu stand auf, um sich darum zu kümmern. Rasch tupfte ich mir die Augen mit dem Ärmel ab. Pflichtgetreu brachte den zischenden Kessel an den Tisch und goss heißes Wasser über die Kräuter in der Teekanne. Als er den Kessel wieder zum Feuer zurücktrug, sprach er über die Schulter. Irgendetwas in seiner gedämpften Stimme verriet mir, dass ihn mein Stillhalten nicht getäuscht hatte. Ich glaube, er fühlte, wie kurz davor er gestanden hatte, mich zu brechen, und das bekümmerte ihn. »Meine Mutter hat es mir erzählt«, sagte er in beinahe entschuldigendem Tonfall. »Sie und Chade waren außer sich, weil du verletzt und im Gefängnis warst. Sie waren wütend aufeinander und konnten sich über nichts einig werden. Ich war im Zimmer, als sie einen Streit hatten. Sie hat ihm gesagt, sie würde einfach runtergehen und dich rausholen. Er hat erwidert, das dürfe sie nicht; damit würde sie dich und mich nur noch in größere Gefahr bringen. Dann hat sie gesagt, sie würde mir sagen, wer dort unten für mich stirbt. Chade hat versucht, ihr das zu verbieten. Sie sagte, es sei an der Zeit, dass ich lernen würde, was es hieße, Opfer für das eigene Volk zu sein. Dann haben sie mich aus dem Raum geschickt, während sie sich weiter gestritten haben.« Er stellte den Teewasserkessel neben das Feuer und kehrte wieder zu mir an den Tisch zurück. Ich blickte ihm nicht in die Augen.
»Weißt du, was es bedeutet, wenn sie so von dir als ›Opfer‹ spricht? Weißt du, wie meine Mutter über dich denkt?« Er schob mir das Brot entgegen. »Du solltest etwas essen. Du siehst furchtbar aus.« Er atmete tief durch. »Wenn sie dich als Opfer bezeichnet, heißt das, dass sie dich als rechtmäßigen König der Sechs Provinzen betrachtet. Vermutlich ist das so, seit mein Vater gestorben beziehungsweise in seinen Drachen eingegangen ist.«
Das ließ mich ihn anschauen. Sie hatte ihm wirklich alles erzählt, und das erschütterte mich durch und durch. Ich blickte zu Dick, der am Feuer döste. Der Blick des Prinzen folgte dem meinen. Er schwieg, doch Dick öffnete plötzlich die Augen und schaute ihn an. »Das ist furchtbares Essen«, bemerkte der Prinz zu ihm. »Glaubst du, du könntest uns in der Küche was Besseres besorgen? Irgendetwas Süßes vielleicht?«
Ein breites Grinsen erschien auf Dicks Gesicht. »Das kann ich tun. Ich weiß, was sie da unten haben. Getrocknete Beeren und Apfelkuchen.« Er leckte sich über die Lippen. Als er sich erhob, sah ich zu meiner Überraschung den Weitseherbock auf seiner Tunika.
»Geh auf demselben Weg, den wir gekommen sind, und komm bitte auch wieder auf diesem Weg zurück. Es ist wichtig, dass du das nicht vergisst.«
Dick nickte nachdenklich. »Wichtig. Ich erinnere mich. Ich weiß das jetzt schon lange. Geh durch die hübsche Tür; komm durch die hübsche Tür wieder zurück. Und nur, wenn niemand dich sehen kann.«
»Guter Mann, Dick. Ich weiß nicht, wie ich je ohne dich zurechtgekommen bin.« Zufriedenheit lag in der Stimme des Prinzen und noch etwas anderes. Keine Herablassung, sondern … Besitzerstolz. Er sprach mit Dick wie ein Mann mit seinem besten Wolfshund.
Nachdem der Schwachkopf gegangen war, fragte ich Pflichtgetreu: »Du hast Dick zu deinem Mann gemacht? Offen?«
»Wenn mein Großvater einen dürren Albinojungen als Narr und Gefährten haben konnte, warum sollte ich mir dann keinen Schwachkopf nehmen?«
Ich zuckte zusammen. »Du lässt die Leute ihn doch nicht verspotten, oder?«
»Natürlich nicht. Hast du gewusst, dass er singen kann? Sein Stimme verleiht der Musik einen seltsamen Klang, aber er trifft die Töne haargenau. Ich habe ihn nicht ständig bei mir, aber oft genug, dass es inzwischen niemanden mehr kümmert. Es hilft, dass er und ich privat miteinander sprechen können, sodass er weiß, wann ich ihn bei mir haben will und wann nicht.« Er nickte zufrieden mit sich selbst. »Ich glaube, er ist jetzt glücklicher. Er hat die Freuden eines warmen Bads und sauberer Kleidung entdeckt, und ich gebe ihm einfache Spielsachen, die ihm gefallen. Nur
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