Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
und um seine Aufmerksamkeit gebuhlt. Sofort warnte ich ihn scherzhaft vor der Leichtlebigkeit der Sänger und ihren steinernen Herzen. Das war ein Fehler. »Ich habe kein Herz mehr, das ich einem Mädchen schenken könnte«, informierte Harm mich nüchtern. Wie auch immer: Er mochte ja vielleicht kein Herz mehr für die Frauen haben, aber seinen Beschreibungen einiger der jungen Sängerinnen nach zu urteilen zumindest ein Auge. Und so segnete ich Merle im Geiste und betete um rasche Genesung für meinen Jungen.
Sowohl der Narr als auch Fürst Leuenfarb gingen mir gezielt aus dem Weg. An mehreren Abenden, da ich mich aus meinem Arbeitszimmer in meine alte Kammer schlich, fand ich ihn nicht in seinen Gemächern vor. Pflichtgetreu berichtete mir, dass er nun oft in Burgstadt spielte, wo diese Art des Zeitvertreibs ebenso sehr an Popularität gewann wie in der Burg. Ich vermisste ihn, doch zugleich fürchtete ich mich vor dem Tag, da ich mich ihm würde stellen müssen. Ich wollte nicht, dass er in meinen Augen las, dass ich ihn an Chade verraten hatte. Das war alles nur zu seinem eigenen Besten, entschuldigte ich mich selbst. Die Drachen sollten verdammt sein. Wenn es mir schlicht gelingen würde, ihn von Aslevjal fernzuhalten, könnte ich ihn am Leben erhalten; seine Missbilligung wäre ein geringer Preis dafür. Das sagte ich mir jedes Mal, wenn ich mich dabei ertappte, dass ich seinen wilden Prophezeiungen Glauben schenkte. Zu anderen Zeiten war ich vollkommen sicher, dass es weder einen eingefrorenen Drachen noch eine Bleiche Frau gab und somit auch keinen Grund für ihn, nach Aslevjal zu reisen. So rechtfertigte ich, dass ich mich mit Chade gegen ihn verschworen hatte. Was die Frage betraf, wa rum er mir aus dem Weg ging, so vermutete ich, dass er sich irgendwie für die Tätowierungen schämte, von denen ich nun wusste. Ich wusste, dass ich nicht von ihm verlangen konnte, mir Gesellschaft zu leisten. Ich konnte nur hoffen, dass sich die Kluft zwischen uns im Laufe der Zeit wieder schließen würde.
Und so vergingen die Tage.
Ich hätte es niemandem gegenüber zugegeben, aber meine Furcht vor der Queste des Prinzen nach Aslevjal befeuerte meinen Eifer, ihn in der Gabe zu unterrichten. Jetzt stimmte ich mit Chade überein, dass der Prinz eine Kordiale benötigte, eine, die wenigstens die Grundlagen ihrer Magie beherrschte. So widmete ich mich der Entwicklung unserer Gabenfähigkeiten, allerdings mit unterschiedlichem Erfolg. Chades Fähigkeiten verbesserten sich nur langsam. Er war mit seinen Fortschritten äußerst unzufrieden, und das machte es ihm noch schwerer, sich zu konzentrieren. Was ich auch unternahm, ich konnte ihn nicht dazu bringen, sich zu entspannen. Pflichtgetreu schien meine Streitereien mit meinem ältesten Schüler amüsant zu finden, während Dick schlicht gelangweilt davon war. Keines von beidem half mir dabei, Chades Gereiztheit zu überwinden. Mein freundlicher, geduldiger Lehrmeister war ein furchtbarer Schüler, stur und ungehorsam. Schließlich gelang es mir ihn nach vier Tagen voller Mühen für die Gabe zu öffnen. Als er sich des Gabenflusses zum ersten Mal bewusst wurde, stürzte er sich kopfüber hinein. Mir blieb keine andere Wahl, als ihm hinterher zu springen. Streng verbat ich Dick und Pflichtgetreu, uns zu folgen, bevor ich mich in die Gabe warf.
Ich erinnere mich nicht gerne an dieses Missgeschick. Es war nicht nur, dass Chade sich in der Gabe auflöste; es schien so ungeheuer viel von ihm zu geben, was sich auflösen konnte. Jeder Augenblick seines Lebens schien in eine andere Richtung von ihm fort zu treiben. Nachdem ich eine Zeit lang darum gerungen hatte, ihn wieder zusammenzufügen, erkannte ich, dass die Gabe ihn nicht zerriss. Stattdessen schickte der alte Mann selbst suchende Gedanken in alle Richtungen. Ungeachtet des Gabenstroms schuf er sein eigenes Wurzelwerk. Noch während ich seine Einzelteile wieder zusammenfügte, badete er in der Pracht des wilden Stroms. Ebenso von Wut angetrieben wie von meiner Magie riss ich ihn schließlich aus dem Strom heraus. Als wir endlich wieder in unseren Körpern waren, fand ich mich zitternd und zuckend unter dem großen Tisch wieder.
»Du dummer, sturer, alter Bastard!«, keuchte ich. Ich hatte nicht die Kraft zu schreien. Chade selbst hing auf seinem Stuhl. Als seine Augenlider flatterten und er wieder zu Bewusstsein kam, murmelte er nur: »Wunderbar. Wunderbar.« Dann fiel sein Kopf auf den Tisch, und er versank in einen
Weitere Kostenlose Bücher