Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
leid. Ich entschuldige mich, Tom Dachsenbless.«
Die Offenheit seiner Worte und die Ehrlichkeit seiner ausgestreckten Hand erinnerten so sehr an Veritas, um ruhigen Gewissens sagen zu können, dass sein Geist der Vater dieses Jungen war. Ich fühlte mich gedemütigt. Ernst ergriff ich die mir angebotene Hand und zog Pflichtgetreu nahe genug zu mir heran, um ihm die Hand auf die Schulter legen zu können. »Es ist zu spät für Entschuldigungen«, sagte ich. »Ich habe dir bereits vergeben.« Dann ließ ich ihn wieder los. »Und ich habe mich genauso gehetzt gefühlt und deshalb war ich ebenso reizbar. So viele Aufgaben sind mir in letzter Zeit zugefallen, dass ich kaum Gelegenheit hatte, meinen eigenen Jungen zu sehen. Es tut mir leid, dass ich dich nicht eher aufgesucht habe. Ich weiß nicht, wie wir unsere Treffen arrangieren sollen, ohne anderen zu verraten, dass ich dich unterrichte, aber du hast Recht: Wir müssen es angehen, und es weiter hinauszuschieben, macht es auch nicht leichter.«
Die Miene des Prinzen versteinerte sich bei meinen Worten. Ich fühlte eine plötzliche Distanz, konnte aber den Grund dafür nicht erkennen, bis er leise fragte: »Dein ›eigener Junge‹?«
Sein Tonfall verwunderte mich. »Mein Ziehsohn, Harm. Er geht bei einem Schreiner in Burgstadt in die Lehre.«
»Oh.« Das einzelne Wort schien sich in Schweigen aufzulösen. »Ich habe nicht gewusst, dass du einen Sohn hast.«
Die Eifersucht war höflich verborgen, aber ich konnte sie deutlich fühlen. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Also sagte ich ihm die Wahrheit. »Er war ungefähr acht Jahre alt, als ich ihn zu mir nahm. Seine Mutter hatte ihn verstoßen, und es gab keine anderen Verwandten, die ihn hätten aufnehmen können. Er ist ein guter Junge.«
»Aber er ist nicht wirklich dein Sohn«, erklärte der Prinz.
Ich atmete tief ein und erwiderte mit fester Stimme: »In jeder Hinsicht, die zählt, ist er mein Sohn.«
Fürst Leuenfarb saß auf seinem Pferd ein kleines Stück abseits. Ich wagte nicht, zu ihm um Rat zu blicken. Nach einer Zeit des Schweigens drückte der Prinz die Knie an, und der Wallach setzte sich im Schritt in Bewegung. Ich ließ Meine Schwarze neben ihm gegen. Mir war bewusst, dass der Narr hinter uns ein wenig trödelte. Das Schweigen zog sich langsam wie ein Vorhang zwischen uns, und gerade als ich glaubte, es brechen zu müssen, platzte Pflichtgetreu heraus: »Wozu brauchst du dann noch mich, wenn du schon einen eigenen Sohn hast?«
Der Hunger in seiner Stimme entsetzte mich. Ich glaube, er erschrak sogar selbst, denn plötzlich trieb er sein Pferd zum Trab an und ritt wieder ein Stück voraus. Ich versuchte nicht, ihn einzuholen, bis der Narr neben mir flüsterte: »Reit ihm hinterher. Lass nicht zu, dass er sich von dir abschottet. Du solltest inzwischen wissen, wie leicht es ist, einen Menschen zu verlieren, indem man ihn einfach weggehen lässt.« Wie auch immer, ich glaube, es war mehr mein eigenes Herz, das mich Meine Schwarze antreiben und den Jungen einholen ließ. Der Prinz wirkte in diesem Augenblick wie ein Junge auf mich, ein Kind, das Kinn hoch erhoben, den Blick stur geradeaus gerichtet. Er schaute mich nicht an, als ich neben ihn ritt, aber ich wusste, dass er mir zuhörte.
»Wozu ich dich brauche? Wozu brauchst du mich? Freundschaft gründet sich nicht immer auf Nutzen, Pflichtgetreu. Aber ich will dir offen sagen, dass ich dich in meinem Leben brauche – allein schon wegen dem, was dein Vater für mich war und weil du der Sohn deiner Mutter bist. Aber größtenteils brauche ich dich, weil du du bist, und wir haben viel zu viel gemeinsam, um dich einfach ziehen zu lassen. Ich will nicht, dass du in Unwissenheit deiner Magie aufwächst, wie es bei mir der Fall gewesen ist. Wenn ich dir diese Qual ersparen kann, werde ich vielleicht auch einen Teil meiner selbst gerettet haben.«
Plötzlich gingen mir die Worte aus. Vielleicht war ich genauso wie Prinz Pflichtgetreu von meinen eigenen Gedanken überrascht. Die Wahrheit kann aus einem Mann sprudeln wie Blut aus einer Wunde, und sie kann genauso beunruhigend sein, wenn man sie sich ansieht.
»Erzähl mir von meinem Vater.«
Vielleicht war für ihn diese Frage die logische Folge dessen, was ich gesagt hatte. Mich überraschte sie. Ich ging hier einen schmalen Grat entlang. Ich hatte das Gefühl, es ihm zu schulden, ihm so viel wie möglich über Veritas zu erzählen. Doch wie sollte ich ihm Geschichten von seinem Vater
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