Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
weiter auf, Fitz.« Dann fragte er, als wäre ihm das gerade erst eingefallen: »Hast du Hunger?«
»Ein wenig. Aber ich komme schon zurecht.«
»Wie hält sich unser Prinz?«
»Ich habe keinen Grund zu glauben, dass es ihm schlechter geht.«
»Oh, aber das hast du. Falls sich Gescheckte in diesem Raum befinden, könnten auch Gescheckte unter jenen sein, die ihn als Geisel halten. Warne ihn, mein Junge, und pass weiter auf.«
Er verschwand genauso rasch wie er gekommen war. Ich fragte mich, was er wohl im Sinn hatte. Dann griff ich zu Pflichtgetreu hinaus. Mit ihm war alles in Ordnung. Ihm war kalt, ihm war langweilig, aber niemand hatte ihn beleidigt, geschweige denn verletzt. Größtenteils hatte man heute darüber geredet, was wohl in Bocksburg vor sich ging. Offensichtlich brachte ein Vogel, Risk oder der Falke, Botschaften hin und her. Bis jetzt waren alle Nachrichten beruhigend gewesen, doch Pflichtgetreu berichtete, dass die Zurückgebliebenen sich allgemein viele Sorgen machten.
Die Kuh hatte eine leichte Geburt und brachte einen schönen Bullen zur Welt. Die Kuhfrau war froh, dass sie so einen warmen, sauberen Stall zur Verfügung hatte, denn das Kalb war ein wenig zu früh zur Welt gekommen. Als sie und Web in die östliche Versammlungshalle zurückkehrten, war es bereits an der Zeit für die nächste Mahlzeit. Ich beobachtete wie die vom Alten Blut sich wieder demaskierten, nachdem die Diener gegangen waren. Eingehend musterte ich jedes einzelne Gesicht, aber falls irgendeiner von ihnen bei Lutwins Bande gewesen sein sollte, so erkannte ich ihn zumindest nicht.
Die Mahlzeit war fast beendet, als es an der Tür klopfte. Mehrere rechneten mit den Dienern und riefen laut, dass sie noch nicht fertig seien. Dann sagte eine Stimme an der Tür: »Lasst mich rein. Altes Blut grüßt Altes Blut.«
Web war derjenige, der aufstand und zur Tür ging. Er schloss sie auf und ließ Gentil Bresinga mit seiner Katze herein. Das Eichhörnchen auf dem Tisch schnatterte panisch und rannte zu seiner Partnerin, um sich in ihrem Haar zu verstecken. Pard schlenderte jedoch nur gelassen in den Raum, schaute sich um und ging dann zum Kamin, wo er es sich bequem machte. Niemand, der den Auftritt des Katers sah, konnte daran zweifeln, dass es sich bei ihm um das Geschwistertier des Jungen handelte, der nun die Tür leise hinter sich schloss und sich zur Versammlung umdrehte.
Die Blicke, die sie ihm zuwarfen, hätten jeden anderen entmutigt, doch wieder stellte sich Web der Herausforderung, legte Gentil freundschaftlich die Hand auf die Schulter und rief: »Altes Blut heißt Altes Blut willkommen. Komm, und gesell dich zu uns, Junge. Wer bist du?«
Gentil atmete tief durch und straffte die Schultern. »Ich bin Gentil Bresinga. Lord Bresinga, jetzt, von Burg Tosen. Ich bin ein treuer Untertan von Königin Kettricken und Freund und Gefährte von Prinz Pflichtgetreu Weitseher. Ich bin vom Alten Blut, und sowohl meine Königin als auch mein Prinz wissen das.« Er ließ ihnen ein wenig Zeit zu begreifen, dass sie hier einen zwiehaften Adeligen am Weitseher-Hof sahen. »Ich bin auf Ratgeber Chades Bitte hierher gekommen, um euch zu erzählen, wie ich hier behandelt werde. Und ich werde euch auch über meine Erlebnisse mit den Gescheckten berichten. Ich werde euch erzählen, wie ich beinahe durch ihre Hände gestorben wäre, hätten die Weitseher sich nicht eingemischt.«
Ich schaute mit einer Art von Ehrfurcht zu. Die Geschichte des Jungen war offensichtlich nicht auswendig gelernt. Immer wieder musste er noch einmal zurückgehen, um frühere Ereignisse zu erklären. Als er von dem sprach, was seine Mutter hatte ertragen müssen und wie sie gestorben war, schnürte es ihm den Hals zu, und er konnte nicht weiterreden. Web setzte sich neben ihn, gab ihm ein Glas Wein und klopfte ihm tröstend auf den Rücken, als wäre er noch ein Kind. Ich blinzelte und sah mich selbst mit fünfzehn Jahren, als ich in Intrigen hineingezogen worden war, die meinen Horizont bei weitem überstiegen. Gentil war nur wenig mehr als ein Kind, erkannte ich plötzlich. Zwiehaft und in ständiger Gefahr hatte er in dem verzweifelten Versuch ein wenig rumspioniert, seine Mutter und seinen Familienbesitz zu retten. Er hatte versagt. Jetzt hatte er keine Eltern und kein Heim mehr und war ein sehr niedriger Adeliger an einem sehr politischen Hof. Der einzige Grund, warum er noch lebte, war tatsächlich, dass er die Freundschaft eines Weitsehers besaß – eines
Weitere Kostenlose Bücher