Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
Utensilien vor die Tür ging. Intrigen waren so natürlich für ihn wie das Atmen. Ich zog die Hose hoch und atmete tief ein, um sie zuzumachen. Sie saß enger an meinem Leib, als mir lieb war. Ich griff in meinen Rücken, und es gelang mir, das Heft der schmalen Klinge mit einem Fingernagel zu packen. Ich zog sie heraus und inspizierte sie. Sie stammte aus den Lagerräumen in Chades Turm. Die ganze Waffe war nicht länger als mein Finger, das Heft gerade groß genug, um es zwischen Daumen und Zeigefinger zu packen. Aber sie konnte einem Mann die Kehle durchschneiden oder zwischen zwei Wirbel gleiten und ihm das Rückgrat durchtrennen. Ich ließ sie wieder in ihrem Versteck verschwinden.
»Ist irgendwas zu sehen?«, fragte ich den Narren.
Er musterte mich mit einem Lächeln und versicherte mir lüstern: »Es ist absolut alles zu sehen, aber nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest. Hier. Zieh das Wams an, und lass mich einmal das Gesamtbild begutachten.«
Widerwillig nahm ich das Wams von ihm entgegen. »Es gab eine Zeit, da konnte man überall in Bocksburg schlicht Jacke und Hose tragen«, bemerkte ich reumütig.
»Du täuschst dich«, erwiderte der Narr. »Du bist mit dieser Art von Kleidung durchgekommen, weil du noch ein Junge warst, und Listenreich wollte keine Aufmerksamkeit auf dich lenken. Ich kann mich daran erinnern, dass Mamsell Hurtig dich ein oder zweimal in die Finger bekommen und stilvoll gekleidet hat.«
»Ein oder zweimal« gestand ich ein und zuckte bei der Erinnerung daran unwillkürlich zusammen. »Aber du weißt, was ich meine, Narr. Als ich aufgewachsen bin, haben sich die Leute von Bocksburg … nun, sie haben sich wie Leute von Bocksburg gekleidet. Damals gab es nicht diesen ›jamailianischen Stil‹ oder Farrow-Mäntel mit spitzen Kapuzen, die bis zum Boden reichen.«
Er nickte. »Bocksburg war tiefste Provinz, als du aufgewachsen bist. Wir befanden uns im Krieg, und wenn ein Krieg all deine Ressourcen aufbraucht, bleibt nur wenig übrig, das du für Kleidung ausgeben könntest. Listenreich war ein guter König, aber es gefiel ihm, den provinziellen Charakter der Sechs Provinzen zu bewahren. Königin Kettricken hat wiederum alles Mögliche getan, um die Provinzen für den Handel zu öffnen, nicht nur mit ihrem eigenen Bergreich, sondern auch mit den Jamailianern und Bingtown und sogar mit Völkern, die noch viel weiter weg leben. Dass das Bocksburg verändern würde, war klar. Und Veränderungen sind nicht immer etwas Schlechtes.«
»Aber das alte Burgstadt war auch nichts Schlechtes«, erwiderte ich mürrisch.
»Veränderungen beweisen aber, dass du noch lebst. Oft lässt sich an Veränderungen unsere Toleranz anderen Völkern gegenüber messen. Können wir ihre Sprachen akzeptieren, ihre Sitten, ihre Kleidung, ihr Essen? Falls ja, dann schaffen wir Bindungen, die Kriege unwahrscheinlicher werden lassen. Falls nein, falls wir glauben, die Dinge müssten um jeden Preis so bleiben, wie sie sind, müssen wir darum kämpfen oder sterben.«
»Welch aufmunternder Gedanke.«
»Es ist wahr«, legte der Narr nach. »Bingtown hat gerade solch einen Aufruhr hinter sich gebracht. Jetzt liegen sie im Krieg mit Chalced, hauptsächlich, weil Chalced die Notwendigkeit für Veränderungen leugnet. Und dieser Krieg könnte auch auf die Sechs Provinzen übergreifen.«
»Das bezweifele ich. Ich weiß nämlich nicht, was das mit uns zu tun haben könnte. Oh, unsere südlichen Provinzen werden sich ins Gefecht stürzen, aber nur weil sie immer schon mit Chalced im Streit gelegen haben. Das ist eine Gelegenheit, ihnen ein paar Gebiete abzunehmen und unseren Ländereien hinzuzufügen. Aber, dass alle Sechs Provinzen sich daran beteiligen … Das bezweifele ich.«
Ich schlüpfte in das jamailianische Wams und knöpfte es zu – es besaß weit mehr Knöpfe, als ich benötigte. Mit rockartigen Anhängseln, die mir bis zu den Knien reichten, schloss es sich eng um meine Hüfte. »Ich hasse jamailianische Kleidung. Wie soll ich an mein Messer kommen, wenn ich es brauche?«
»Ich kenne dich. Wenn es drauf ankommt, wirst du schon einen Weg finden, es schnell genug zu ziehen. Ich versichere dir: In Jamailia, wärst du schon drei Jahre lang aus der Mode. Dort würden sie dich für ein Landei aus Bingtown halten, das versucht, sich wie ein Jamilianer zu kleiden. Aber es reicht. Das verstärkt den Mythos, dass ich ein jamailianischer Edelmann bin. Wenn meine Kleidung exotisch genug aussieht, werden die
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