Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
zurückgezogen, die über blau gedeckten, langen Tischen hingen. Die einzigen Hunde, die ich sah, waren kleine Tiere, die kurz dem Schoß einer Dame entkommen waren, um irgendjemandem an den Stiefeln zu schnüffeln. Der Streu unter unseren Füßen war sauber und mit einer Sandschicht unterlegt. In der Mitte des Raums befand sich eine reine Sandfläche, in die man komplizierte Muster geharkt hatte, die die Tänzer aber schon bald wieder zerstören würden. Es saß noch niemand an den Tischen; dennoch hatte man bereits Schüsseln mit frischem Obst und Brotkörbe aufgetragen. Die ersten Gäste standen in kleinen Gruppen zusammen oder saßen auf Stühlen und Polsterbänken an den Kaminen. Das Summen ihrer Gespräche mischte sich mit der Musik eines einzelnen Harfenisten auf einer Empore nahe dem Hauptkamin.
Der gesamte Raum vermittelte ein sorgfältig durchdachtes Gefühl der Erwartung. Fackeln in Ständern beleuchteten die Hochempore. Ihre Helligkeit zog die Blicke an und unterstrich die Bedeutung jener, die dort sitzen würden. Auf der obersten Ebene standen thronähnliche Stühle für Kettricken, Pflichtgetreu, Elliania und zwei andere Personen. Die demütigeren, aber nicht weniger prachtvollen Stühle auf der zweiten Ebene waren für die Herzöge und Herzoginnen der Sechs Provinzen bestimmt, die sich hier versammelt hatten, um der Verlobung ihres Prinzen beizuwohnen. Eine zweite Empore von gleicher Größe war für Ellianias Edelleute errichtet worden. Die dritte Empore war für jene bestimmt, welche die besondere Gunst der Königin genossen.
Kaum hatten wir die Große Halle betreten, da lösten sich mehrere liebreizende Damen von den junge Edelmännern, mit denen sie gesprochen hatten und eilten zu Fürst Leuenfarb. Es war, als würde er von Schmetterlingen bestürmt. Hauchdünne Wickelkleider schienen in Mode zu sein, eine aus Jamailia importierte Torheit, denn sie boten keinerlei Schutz vor der Kälte, die permanent in der Großen Halle herrschte. Ich betrachtete die Gänsehaut auf Lady Heliotropes Armen, als sie Fürst Leuenfarb ihr Mitgefühl bekundete. Ich fragte mich, seit wann Bocksburg so empfänglich für fremde Kleidermode war. Mürrisch musste ich zugeben, dass mich die Veränderungen störten, nicht nur, weil sie mehr und mehr die Bocksburg verdrängten, die ich aus meiner Kindheit kannte, sondern auch weil sie mir das Gefühl vermittelten, langweilig und alt zu sein. Gurrend und gackernd ob seines verletzten Fußes eskortierten die Damen Fürst Leuenfarb zu einem bequemen Stuhl am Kamin. Gehorsam ging ich ihm dort zur Hand. Ich stellte den Hocker an die entsprechende Stelle und legte das Kissen darauf. Der junge Lord Eiche erschien mit einem entschlossenen, »Lass mich das machen, Mann«, und bestand darauf, Fürst Leuenfarb dabei zu helfen, den Fuß auf den Hocker zu legen.
Ich trat zur Seite, hob den Blick und schien an der Gruppe von Outislandern vorbeizublicken, die die Halle gerade betreten hatten. Sie bewegten sich fast wie eine Phalanx von Kriegern. Einmal in der Halle blieben sie unter sich und verteilten sich nicht. Die Männer trugen nicht nur ihre Pelze und Lederharnische, sondern einige der älteren auch ihre angeberischen Kriegstrophäen: Halsketten aus Fingerknochen oder ein Zopf an der Hüfte, der aus dem Haar eines getöteten Feindes geflochten war. Die Frauen unter ihnen bewegten sich so unerschrocken wie die Männer. Ihre Kleider bestanden aus üppig gefärbter Wolle und waren mit weißen Fellen abgesetzt: Fuchs, Hermelin und Eisbär.
Outislander-Frauen waren keine Krieger; sie waren die Landbesitzer in ihrem Volk. In einer Kultur, wo die Männer oft jahrelang auf Raubzug gingen, kümmerten sich die Frauen um das Land. Häuser, Felder und Weidegründe wurden von den Müttern an ihre Töchter vererbt, ebenso wie das Familienvermögen in Form von Schmuck und Werkzeugen. Männer konnten im Leben einer Frau kommen und gehen, und die Bindung eines Mannes zu seinem Mütterhaus war selbst stärker und beständiger als die Ehe. Wenn ein Mann übermäßig lange auf Raubzug war, konnte die Frau sich einen neuen Gemahl oder einen Liebhaber nehmen. Da die Kinder ohnehin den Müttern und ihren Familien gehörten, war auch egal, wer der Vater war. Ich beobachtete sie, wohlwissend, dass dies keine Fürsten und Ladys in unserem Sinne waren. Wahrscheinlicher war, dass die Frauen große Güter ihr Eigen nannten und die Männer sich durch Kühnheit im Kampf und auf den Plünderfahrten ausgezeichnet
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