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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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schlafe auch. Das ist die einzige Zeit, da ich dich erreichen kann. Weißt du das nicht?
    Meine Antwort schien den Rufer gestärkt zu haben. Fast war es, als würde er sich jetzt an mich klammern.
    Nein. Das habe ich nicht gewusst.
    Ich schaute mich gelassen um. Fast erkannte ich die Form einer Landschaft. Es war Frühling, und in der Nähe blühten Apfelbäume. Ich hörte Bienen zwischen den Blüten summen. Das Gras unter meinen Füßen war weich, und ein sanfter Wind wehte mir durchs Haar.
    Ich bin so oft in deine Träume gekommen und habe beobachtet, was du getan hast. Ich dachte, ich sollte dich mal in einen von meinen einladen. Gefällt er dir?
    Neben mir stand eine Frau. Nein, ein Mädchen. Irgendjemand. Es war schwer zu sagen. Ich konnte ihr Kleid sehen und ihre kleinen Lederschuhe, ihre wettergegerbten Hände, doch der Rest war im Nebel verborgen. Ihre Gesichtszüge vermochte ich nicht zu erkennen. Was mich selbst betraf … Es war seltsam. Ich konnte mich selbst sehen, als stünde ich vor mir, und doch war es nicht das Bild von mir, das ich sah, wenn ich in einen Spiegel blickte. Ich war ein Mann mit struppigen Haaren, viel größer, als ich in Wirklichkeit war, und viel kräftiger. Mein raues graues Haar ergoss sich über meinen Rücken und hing mir über die Stirn. Meine Fingernägel waren schwarz und meine Zähne spitz. Unbehagen nagte an mir. Hier drohte Gefahr, aber nicht mir. Warum konnte ich mich nicht daran erinnern, was das für eine Gefahr war?
    Das bin nicht ich. Das ist nicht richtig.
    Sie lachte liebevoll. Nun, wenn ich dich nicht so sehen darf, wie du bist, wirst du dich wohl damit zufrieden geben müssen, dich so zu sehen, wie ich dich mir immer vorgestellt habe. Schattenwolf, warum bist du fortgeblieben? Ich habe dich vermisst. Ich habe Angst um dich gehabt. Ich habe deinen großen Schmerz gefühlt, aber nicht gewusst, was der Grund dafür war. Bist du verletzt? Du scheinst weniger zu sein, als du einst warst. Und du wirkst müde, älter. Ich habe dich und deine Träume vermisst. Ich hatte solche Angst, dass du tot sein könntest und nie mehr kommen würdest. Es hat ewig gedauert, bis ich zu dir hinausgreifen konnte, anstatt darauf zu warten, dass du zu mir kommst.
    Sie plapperte wie ein Kind. Eine äußerst echte, schlaflose Bestürzung ergriff von mir Besitz. Es war, als hätte sich ein kalter Nebel über mein Herz gelegt, und dann sah ich es, einen Nebel, der sich in meinem Traum um mich herum sammelte. Irgendwie, ohne zu wissen wie, hatte ich ihn heraufbeschworen. Mein Wille machte ihn immer dichter. Ich versuchte, sie zu warnen. Das ist nicht richtig. Oder gut. Bleib zurück. Bleib mir vom Leib.
    Das ist nicht fair!, heulte sie, als der Nebel zu einer Wand zwischen uns wurde. Ihre Gedanken wurden immer schwächer. Schau, was du mit meinem Traum gemacht hast. Es war so schwer, ihn zu schaffen, und jetzt hast du ihn verdorben. Wo gehst du hin? Du bist so ungehobelt!
    Ich löste mich aus ihrem immer schwächer werdenden Griff und schien aus meinem Traum aufzuwachen. Tatsächlich war ich bereits wach gewesen, und einen Augenblick später saß ich auf der Bettkante. Ich fuhr mir mit den Fingern durch meine Haare. Fast war ich für den Gabenschmerz bereit, da schoss er schon durch meinen Bauch und schlug gegen die Innenseite meines Schädels. Ich atmete tief und gleichmäßig, um mich nicht übergeben zu müssen. Nachdem etwas Zeit vergangen war, eine Minute oder ein halbes Jahr, ich wusste nicht wie viel, baute ich unter Schmerzen meine Gabenmauer wieder auf. War ich sorglos gewesen? Hatte die Müdigkeit und der Glimmkrautqualm mich die Mauer senken lassen?
    Oder war meine Tochter inzwischen schlicht stark genug, um sie zu durchbrechen?

Kapitel 5
Geteiltes Leid
    Ein Sturm von Edelsteinen waren sie.
    Geschuppte Flügel glitzernd wie Juwelen.
    Mit brennenden Augen und peitschenden Schwingen Kamen die Drachen.
     
    Zu hell, um sich ihrer zu erinnern.
Tausender Lieder Versprechen erfüllt.
Reißende Klauen, schlingende Kiefer
Der König ist zurückgekehrt.
    ›VERITAS STUNDE DER WAHRHEIT‹,
    VON: MERLE VOGELSANG
     
    Ein Luftzug strich über meine Wange. Müde öffnete ich die Augen. Trotz des offenen Fensters und des kalten Morgens war ich auf Veritas' Stuhl eingedöst. Vor und unter mir erstreckte sich die Aussicht aufs Wasser. Weiße Schaumkronen leuchteten auf den Wellenbergen unter einem grauen Himmel. Mit einem Stöhnen erhob ich mich und stellte mich ans Turmfenster. Von hier aus

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