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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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schwieg, war aber nicht überzeugt. Ich atmete tief durch. »Glaubst du, es wäre besser für dich, wenn du hier anstatt bei Jinna leben würdest?«
    Voll Wut und Verzweiflung blickte er mir in die Augen. »Nein! Warum schlägst du so etwas überhaupt vor?«
    »Nun, weil ich erfahren habe, dass es so Brauch ist. Wenn du hier, näher an deiner Arbeit leben würdest, würde sie dir wohlmöglich leichter fallen. Du müsstest nicht jeden Morgen so weit laufen, und …«
    »Ich würde wahnsinnig, wenn ich mit den anderen Lehrlingen hier leben müsste! Die anderen Jungen haben mir erzählt, wie es ist. Jede Mahlzeit ist die gleiche wie die zuvor, und Gindasts Frau zählt die Kerzen, um sicherzustellen, dass sie sie nicht zu tief in die Nacht hinein brennen lassen. Sie müssen ihr Bettzeug lüften, und jede Woche ihre eigene Wäsche waschen, ganz zu schweigen davon, dass Gindast ihnen Extraarbeit auferlegt, nachdem das Tagwerk beendet ist. Sie schaufeln Sägespäne in den Rosengarten von Gindasts Frau und sammeln den Zunder für den Kamin und …«
    »Das klingt nicht gerade schrecklich für mich«, unterbrach ich ihn, denn ich sah, dass er sich immer mehr erregte. »Das klingt nach Disziplin. Ähnlich der Ausbildung eines Soldaten. Das würde dir nicht schaden, Harm.«
    Wütend warf er die Arme in die Höhe. »Es würde mir aber auch nicht helfen. Hätte ich mir gewünscht, für meinen Lebensunterhalt Schädel einzuschlagen, ja, dann hätte ich erwartet, dass man mich wie ein dummes Tier behandelt. Aber von meiner Lehre hätte ich das nicht gedacht.«
    »Dann bist du also zu dem Schluss gekommen, dass das nicht das ist, was du willst?«, fragte ich und hielt in Erwartung der Antwort fast den Atem an. Denn wenn er seine Meinung geändert hatte, hatte ich keine Ahnung, was ich mit ihm tun sollte. Ich konnte ihn schlecht zur Bocksburg mit raufnehmen oder alleine nach Hause schicken.
    Widerwillig antwortete er: »Nein. Ich habe meine Meinung nicht geändert. Das ist, was ich will. Aber sie sollten besser bald damit beginnen, mir etwas beizubringen, sonst …«
    Ich wartete darauf, was diesem ›sonst‹ folgen würde, doch ihm gingen die Worte aus. Ich beschloss, das als positives Zeichen zu werten. »Ich bin froh, dass du das noch immer willst. Versuch, Demut zu zeigen, Geduld. Arbeite gut, hör zu, und lerne. Ich glaube, wenn du das tust und dich als cleverer Junge erweist, wirst du schon bald vor größeren Herausforderungen stehen. Und ich werde versuchen, heute Abend zu dir zu kommen, aber ich will nichts versprechen. Fürst Leuenfarb hält mich sehr beschäftigt. Es ist mir schon schwergefallen, mir die Zeit hier abzuknapsen. Weißt du, wo die Taverne Zu den Drei Segeln ist?«
    »Ja, aber triff mich nicht dort. Komm stattdessen ins Festsitzende Schwein. Das ist bei Jinna ganz in der Nähe.«
    »Und?«, hakte ich nach. Ich wusste, dass es noch einen anderen Grund gab.
    »Dann kannst du auch Svanja kennen lernen. Sie lebt nicht weit weg und hält immer nach mir Ausschau. Wenn sie kann, gesellt sie sich dort zu mir.«
    »Wenn sie sich aus dem Haus schleichen kann?«
    »Nun … so in der Art. Ihrer Mutter ist es egal, aber ihr Vater hasst mich.«
    »Das ist nicht gerade ein guter Anfang, um jemanden zu freien, Harm. Was hast du getan, um dir diesen Hass zu verdienen?«
    »Ich habe seine Tochter geküsst.« Harm grinste breit, und ich lächelte wider besseres Wissen.
    »Nun. Darüber können wir auch heute Abend sprechen. Ich glaube, du bist noch zu jung dafür. Du solltest lieber warten, bis deine Aussichten besser sind und du eine Frau ernähren kannst. Vielleicht kümmern ihren Vater dann ein, zwei gestohlene Küsse nicht mehr. Falls ich heute Abend frei bekommen kann, werde ich dich dort treffen.«
    Harm schien sich wieder ein wenig beruhigt zu haben, als er mir zum Abschied winkte und zu seinem Holzstapel ging. Ich verließ ihn jedoch mit schwererem Herzen als ich gekommen war. Jinna hatte Recht. Das Stadtleben veränderte meinen Jungen und das auf eine Art und Weise, die ich nicht vorhergesehen hatte. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er meinem Rat wirklich zugehört hatte, geschweige denn danach handeln würde. Nun. Vielleicht würde ich das heute Abend wieder korrigieren können.
    Während ich durch die Stadt zurückging, fielen die ersten Schneeflocken. Als ich die steile, gewundene Straße zur Burg erreichte, hatte sich der Himmel völlig zugezogen, und der Schneefall war noch dichter geworden. Mehrere Male blieb

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