Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
ich stehen, verließ die Straße und blickte zurück, doch niemand schien mir zu folgen. Dass die Gescheckten mich bedrohten und dann einfach verschwanden, ergab keinen Sinn. Sie hätten mich entweder töten oder als Geisel nehmen müssen. Ich versuchte, mich in ihre Lage zu versetzen, mir vorzustellen, warum sie ihre Beute frei herumlaufen ließen. Mir fiel kein Grund dafür ein. Als ich schließlich die Burgtore erreichte, lag eine dichte Schneedecke auf der Straße, und der Wind heulte in den Baumwipfeln. Mit dem Wetter kam eine frühe Dunkelheit. Es versprach, eine furchtbare Nacht zu werden. Ich konnte froh sein, wenn ich sie irgendwo drinnen verbringen konnte.
Vor dem Eingang der Halle, an der Küche und Wachraum lagen, stampfte ich mir den klebrigfeuchten Schnee von den Füßen. Ich roch heiße Rindfleischsuppe, frisches Brot und nasse Wolle, als ich am Wachraum vorüber ging. Ich war müde und wünschte, ich könnte einfach hineingehen und ihr einfaches Mahl und die rauen Scherze mit ihnen teilen. Stattdessen straffte ich die Schultern und eilte in Richtung von Fürst Leuenfarbs Gemächern. Er war nicht da, und ich erinnerte mich daran, dass er irgendetwas von einem Spiel mit dem Liebling der Königin gesagt hatte. Ich nahm an, dort sollte ich ihn suchen. Ich ging in meine Kammer, um den nassen Mantel loszuwerden, und fand einen Pergamentfetzen auf meinem Bett. Nur ein einziges Wort stand darauf: »Rauf.«
Ein paar Augenblicke später tauchte ich in Chades Turmzimmer auf. Es war niemand da, aber auf meinem Stuhl wartete warme Kleidung auf mich und ein grüner Mantel aus schwerer Wolle und mit übergroßer Kapuze. Auf der Außenseite war ein Otter abgebildet, ein mir unbekanntes Wappen. Ein ungewöhnliches Merkmal des Mantels war, dass man ihn wenden konnte; innen bestand er aus schlichter Wolle in Dienerblau. Daneben stand eine lederne Reisetasche mit etwas zu essen und einer Flasche Brandwein darin. Daneben wiederum lag eine lederne Schriftrollentasche. Und auf dieser ganzen Ausrüstung fand sich eine Notiz in Chades Handschrift. »Heffams Trupp reitet heute Abend aus dem Nordtor auf Patrouille. Reite mit ihnen, und folge dann deinen eigenen Zielen. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, das Erntedankfest zu verpassen. Bitte, komm so schnell wie möglich wieder zurück.«
Ich schnaufte. Erntedankfest. Darauf hatte ich mich als Junge immer so sehr gefreut. Jetzt hatte ich mich noch nicht einmal daran erinnert, dass es nicht mehr fern war. Ohne Zweifel war die Verlobung des Prinzen absichtlich unmittelbar davor gelegt worden. Nun, ich hatte es die letzten fünfzehn Jahre versäumt. Einmal mehr oder weniger machte den Braten auch nicht fett.
Am Ende des Arbeitstisches wartete ein herzhaftes Mahl aus kaltem Fleisch, Käse, Brot und Bier. Ich ging davon aus, dass Chade eine plausible Erklärung für mein Verschwinden aus Fürst Leuenfarbs Diensten arrangiert hatte. Ich hatte keine Zeit mehr, ihn aufzusuchen und ihm die Information weiterzugeben, und eine Notiz wollte ich ihm auch nicht schreiben. Reumütig dachte ich an mein geplantes Treffen mit Harm, aber ich hatte ihn ja schon vorgewarnt, dass ich vielleicht nicht kommen könnte. Und die plötzliche Gelegenheit, endlich etwas zu tun, hatte auch ihren Reiz. Ich wollte endlich den bangen Verdacht aus dem Weg geräumt sehen, dass die Gescheckten mein Nest entdeckt haben könnten. Selbst herauszufinden, dass sie es doch getan hatten, wäre besser gewesen, als es sich ängstlich immer wieder zu fragen.
Ich aß und wechselte meine Kleider. Als die Sonne unterging, saß ich dann auf Meine Schwarze und näherte mich dem Nordtor. Die Kapuze hatte ich tief ins Gesicht gezogen, um den beißenden Wind und das Schneetreiben außen vor zu halten. Andere, anonyme, grüngewandete Reiter sammelten sich dort. Einige beschwerten sich bitterlich darüber, auf Patrouille reiten zu müssen, wo die Verlobungsfeierlichkeiten sich ihrem Höhepunkt näherten und das Erntedankfest unmittelbar bevorstand. Ich ritt näher und nickte einem redseligen Kerl mitfühlend zu, der die Nacht mit seinem Jammern erfüllte. Er begann eine lange Geschichte von einer Frau, der wärmsten und willigsten aller Frauen, die heute Abend nun vergebens auf ihn in einer Taverne unten in der Stadt warten würde. Ich war zufrieden damit, auf meinem Pferd zu sitzen und ihn reden zu lassen. Andere sammelten sich um uns. Tief vermummte Reiter. Kein einziges Gesicht war zu erkennen.
Die Sonne war untergegangen
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