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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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du gut gemacht; aber sei das nächste Mal vorsichtiger, sowohl mir dir als auch mit ihm.
    Die Botschaft war an mich gerichtet, ein Gedanke mit mir als Ziel. Ich glaube nicht, dass Pflichtgetreu ihn bemerkt hatte. Als ich dann meine Augen öffnete, über den Tisch hinweg blickte und sah, wie bleich Pflichtgetreu war, schob ich alle Gedanken an diesen fremden Gabenkontakt beiseite. Pflichtgetreu sackte auf dem Stuhl zusammen; sein Kopf fiel auf die Seite, und er hatte die Augen fast geschlossen. Schweißtropfen liefen ihm vom Haaransatz übers Gesicht, und seine Lippen zitterten beim Atmen. Meine erste Lektion wäre beinahe die letzte gewesen.
    Ich ging um den Tisch herum und hockte mich neben ihn. »Pflichtgetreu. Kannst du mich hören?«
    Er keuchte. Ja. Ein schreckliches Lächeln erschien auf seinem erschlafften Gesicht. Es war so wunderschön. Ich will wieder zurück, Tom.
    »Nein. Tu das nicht; denk im Augenblick noch nicht einmal daran. Bleib im Hier und Jetzt. Konzentrier dich darauf, in deinem Körper zu bleiben.« Ich schaute mich im Raum um. Es gab nichts, was ich ihm hätte anbieten können, kein Wasser und auch keinen Wein. »In ein paar Augenblicken wirst du dich wieder erholt haben«, sagte ich ihm, obwohl ich selbst nicht wusste, ob das wahr war. Warum hatte ich diese Möglichkeit nicht eingeplant? Warum hatte ich ihn nicht zuerst vor den Gefahren des Gabengebrauchs gewarnt? Weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass er die Gabe schon in seiner allerersten Stunde so gut würde nutzen können? Auf jeden Fall hatte ich nicht geglaubt, dass er fähig genug war, um sich in Schwierigkeiten zu bringen. Nun, jetzt wusste ich es besser. Den Prinz zu unterrichten, würde gefährlicher werden, als ich vermutet hatte.
    Ich legte ihm die Hand auf die Schulter in der Absicht, ihm dabei zu helfen, sich aufzusetzen. Stattdessen war es, als würden wir in den Geist des jeweils anderen springen. Ich hatte meine Mauern gesenkt, um ihn zu unterrichten, und Pflichtgetreu besaß keine. Die freudige Erregung der Gabe durchflutete mich, als unsere Gedanken sich trafen und zueinander passten. Mit ihm konnte ich das gedämpfte Brüllen der Gabengedanken wie das Rauschen eines Flusses in weiter Ferne hören. Komm weg davon, riet ich ihm, und irgendwie zog ich ihn vom Ufer weg. Es machte mich nervös, seine Faszination dafür zu fühlen. Einmal hatte ich mich selbst so stark zum Gabenfluss hingezogen gefühlt, und noch immer übte er eine große Anziehungskraft auf mich aus; aber ich wusste auch um seine Gefahren. Der Prinz war jedoch wie ein Kleinkind, das die Hand nach der Kerzenflamme ausstreckt. Ich zog ihn davon zurück, postierte mich zwischen ihm und dem Fluss, und schließlich fühlte ich, wie er seinen Geist gegen das Gabenmurmeln abschirmte.
    »Pflichtgetreu. « Diesmal rief ich seinen Namen nicht nur über die Gabe, sondern sprach ihn gleichzeitig auch laut aus. »Es ist jetzt an der Zeit aufzuhören. Das reicht für einen Tag, und für die erste Stunde war es bereits zu viel.«
    »Aber … Ich will …« Seine gesprochenen Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, doch ich war froh, dass er den Mund benutzte.
    »Genug«, sagte ich und nahm die Hand von seiner Schulter. Mit einem Seufzen lehnte er sich auf dem Stuhl zurück und ließ den Kopf nach hinten sinken. Ich kämpfte gegen meine eigene Versuchung an. Konnte ich meine Kraft mit ihm teilen, um ihm dabei zu helfen, sich zu erholen? Konnte ich Mauern für ihn errichten, um ihn zu beschützen, bis er selbst auf den Gabenflüssen navigieren konnte? Konnte ich einen mit der Gabe erteilten Befehl widerrufen, dass er nicht gegen mich kämpfen dürfe?
    Als man mir zum ersten Mal die Chance geboten hatte, den Umgang mit der Gabe zu lernen, hatte ich das als zweischneidiges Schwert betrachtet. Da war die großartige Gelegenheit gewesen, die Magie zu erlernen, doch andererseits hatte auch die Gefahr bestanden, dass Galen, der Gabenmeister, hätte herausfinden können, dass ich ebenfalls über die Alte Macht verfügte, und er mich vernichtet hätte. Ich hatte mich der Gabe nie so offen und eifrig genähert wie Pflichtgetreu. Schon bald hatten Gefahr und Schmerz meine Neugier in Bezug auf die königliche Magie verdrängt. Ich hatte sie nur widerwillig angewandt, angezogen von ihren Verlockungen, doch gleichzeitig voller Angst, dass sie mich verschlingen könnte. Ich hatte herausgefunden, dass Tee aus Elfenrinde mich vor dem Ruf der Gabe taub machte, und so hatte ich nicht

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