Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
fühlte ich mich sehr, sehr müde. »Pflichtgetreu. Schau mich bitte an.«
»Es tut mir leid«, sagte er, als er sich umdrehte; in die Augen sehen, konnte er mir nicht. »Ich hätte dich nicht fragen sollen.«
Ich wünschte, das hätte er auch nicht. Ich wünschte, ich hätte nicht herausfinden müssen, dass das Gerücht schon weit genug verbreitet war, dass es seine Ohren erreicht hatte. Es war an der Zeit, es aus der Welt zu räumen. »Pflichtgetreu. Fürst Leuenfarb und ich, wir gehen nicht zusammen ins Bett. Um ehrlich zu sein, habe ich nie gesehen oder gehört, dass der Mann überhaupt mit jemandem geschlafen hätte. Sein Handeln Gentil gegenüber war nur Schau, um Lady Bresinga dazu zu provozieren, dass sie uns zum Gehen auffordert. Das war alles. Aber das darfst du Gentil natürlich nicht sagen. Das muss zwischen dir und mir bleiben.«
Pflichtgetreu stieß einen lauten Seufzer aus. »Ich wollte nicht so über euch denken. Aber ihr scheint euch so nahe zu stehen. Außerdem ist Fürst Leuenfarb Jamailianer, und es ist allgemein bekannt, dass man sich dort nicht allzu viel um solche Dinge schert.«
Kurz überlegte ich, ihm auch die Wahrheit darüber zu sagen. Dann entschied ich, dass zu viel Wissen ihn nur belasten würde. »Es wäre vermutlich am besten, wenn du nicht mehr mit Gentil über Fürst Leuenfarb sprechen würdest. Sollte das Gespräch noch einmal darauf kommen, wechsle das Thema. Meinst du, dass du das kannst?«
Er lächelte mich schief an. »Auch ich habe bei Chade gelernt«, erklärte er.
»Mir ist schon aufgefallen, dass du Fürst Leuenfarb in letzter Zeit mit einer gewissen Kälte begegnet bist. Falls das der Grund dafür gewesen sein sollte, nun, dann hast du was versäumt. Du solltest ihn näher kennen lernen, denn niemand kann sich einen besseren Freund wünschen.«
Pflichtgetreu nickte, erwiderte aber nichts darauf. Ich vermutete, dass seine Zweifel noch nicht vollends zerstreut waren, aber ich hatte mein Bestes dafür getan.
Er verließ den Turm durch die Tür, und ich hörte ihn den Schlüssel im Schloss umdrehen, bevor er sich auf den langen Weg nach unten machte. Sollte ihn jemand fragen, würde er antworten, er hätte sich den Turm als neuen Ort für seine frühmorgendlichen Meditationen ausgesucht.
Erneut schaute ich mich im Raum um und beschloss, ihn gegen jene Art von Gefahr zu rüsten, wie sie uns heute Morgen begegnet war. Eine Flasche Brandwein für den Fall, dass Pflichtgetreu ihn brauchen würde. Wir benötigten auch einen Holzvorrat für den Kamin; die Winterkälte würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Ich hielt nicht viel von Galens Auffassung, dass Schüler sich unwohl fühlen müssten, um gut zu lernen. Ich würde mit Chade darüber reden.
Ich gähnte ausgiebig und wünschte, ich könnte wieder ins Bett zurück. Ich war erst einen Abend zuvor wieder nach Bocksburg zurückgekehrt. Ein heißes Bad und ein langer Bericht an Chade hatten die Stunden gefressen, die ich lieber geschlafen hätte. Chade hatte die Schriftrollen in Verwahrung genommen, die ich mit zurückgebracht hatte. Das gefiel mir zwar nicht sonderlich, aber es stand ohnehin nur wenig darin, was er nicht schon gewusst oder zumindest vermutet hätte. Nach einem langen Bad, um die Kälte aus meinen Knochen zu vertreiben, hatte ich neben Chade vor dem Kamin gesessen und lange mit ihm gesprochen.
Ein junges braunes Frettchen hatte sich bereits im Turmzimmer eingerichtet. Sein Name war Gilly, und er war besessen von seiner eigenen Jugend, seinem Revier und den Gerüchten der Nagetiere. Sein Interesse an mir beschränkte sich darauf, meine Stiefel gründlich zu beschnüffeln und dann wieder in meinem Bündel zu verschwinden. Sein lebhaft hin und her huschender Geist bildete jedoch einen angenehmen Kontrapunkt zur Düsternis des Turmzimmers. Mich, das Wesen, mit dem er sich sein Revier teilen musste, betrachtete er lediglich als viel zu groß, um mich zu fressen.
Chades Gerüchte hatten alles abgedeckt: vom Herzog von Tilth, der entflohene chalcedische Sklaven bewaffnete und ausbildete, bis hin zu Kettricken, die einen Streit zwischen Fürst Carolsin von Aschensee und Fürst Würdevoll von Timbery schlichten sollte; Letzterem wurde vorgeworfen, die Tochter von Fürst Carolsin verführt und gestohlen zu haben. Fürst Würdevoll behauptete jedoch, das Mädchen sei aus freien Stücken zu ihm gekommen, und da sie nun verheiratet seien, könne von Verführung keine Rede mehr sein. Dann war da noch die
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