Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
gezögert, die Droge trotz ihres üblen Rufes einzusetzen. Von der betäubenden Wirkung der Droge befreit hatte der Enthusiasmus des Prinzen und die Tatsache, dass wir nun wieder Zugang zu den Gabenschriften hatten, auch meinen Eifer wieder geweckt. Ich sehnte mich genauso sehr wie Pflichtgetreu danach, mich in den berauschenden Gabenfluss zu stürzen. Doch ich stählte meinen Willen. Ich durfte Pflichtgetreu meine eigene Sehnsucht nicht fühlen lassen.
Ein Blick auf die immer höher steigende Sonne verriet mir, dass unsere gemeinsame Zeit sich dem Ende zuneigte. Pflichtgetreu hatte wieder Farbe im Gesicht, doch sein Haar klebte noch von Schweiß.
»Komm, Junge, reiß dich zusammen.«
»Ich bin müde. Ich habe das Gefühl, als könnte ich den ganzen Tag durchschlafen.«
Ich erwähnte meinen wachsenden Schmerz nicht. »Das war nicht anders zu erwarten, aber vermutlich ist das keine so gute Idee. Ich möchte, dass du wach bleibst. Geh, und betätige dich irgendwie. Reite aus, oder übe dich im Schwertkampf. Und vor allem lenke deine Gedanken von dieser ersten Lektion ab. Lass dich von der Gabe nicht verführen, dich ihr heute noch einmal zu nähern. Solange ich dich nicht gelehrt habe, wie du dich richtig konzentrierst und ihren Versuchungen widerstehst, stellt sie eine große Gefahr für dich dar. Die Gabe ist eine nützliche Magie, aber sie besitzt die Macht, Menschen anzuziehen wie Honig eine Biene. Geh alleine dorthin, lass dich von ihr ablenken, und du wirst an einen Ort gelangen, von dem niemand, noch nicht einmal ich, dich wieder zurückholen kann. Dein Körper wird jedoch hier bleiben müssen wie ein großes sabberndes Baby, das seine Umgebung nicht mehr wahrnimmt.«
Ich ermahnte ihn mehrmals, dass er die Gabe nicht ohne mich anwenden dürfe, dass er seine Experimente nur in meiner Gegenwart durchführen solle. Ich nehme an, ich habe es mit diesen Ermahnungen ein wenig übertrieben, denn schließlich erklärte er wütend, dass er ebenfalls dort gewesen sei und wisse, dass er Glück gehabt habe, wieder zurückgekehrt zu sein.
Ich erwiderte, dass ich froh sei, dass er das erkannt habe, und mit dieser Bemerkung verabschiedeten wir uns voneinander. Doch an der Tür blieb er kurz stehen und drehte sich noch einmal zu mir um.
»Was ist?«, fragte ich ihn, als mir das Schweigen zu lang wurde.
Plötzlich wirkte er verlegen. »Ich möchte dich etwas fragen.«
Ich wartete, musste aber schließlich nachhaken: »Und was willst du mich fragen?«
Er biss sich auf die Unterlippe und blickte zum Turmfenster. »Etwas über dich und Fürst Leuenfarb«, sagte er nach erneutem Zögern und hielt dann wieder inne.
»Was ist mit uns?«, fragte ich ungeduldig nach. Der Morgen war schon weit fortgeschritten, und ich hatte noch viel zu tun – wie zum Beispiel, den Kopfschmerz zu bekämpfen, der mich mit voller Wucht gefallen hatte.
»Gefällt … Gefällt es dir, für ihn zu arbeiten?«
Ich wusste sofort, dass das nicht die Frage war, die er mir stellen wollte. Ich fragte mich, was ihm derart Sorgen bereitete. War er auf meine Freundschaft mit dem Narren eifersüchtig? Fühlte er sich irgendwie ausgeschlossen? Ich verlieh meiner Stimme einen sanften Tonfall: »Er ist schon sehr, sehr lange mein Freund. Das habe ich dir schon einmal erzählt, in dem Gasthof auf unserem Weg nach Hause. Die Rollen, die wir im Augenblick spielen, die von Herr und Knecht, dienen nur unserer Bequemlichkeit. Sie geben mir die Gelegenheit, an Ereignissen teilzunehmen, wo ein Mann von meiner Stellung nicht erwartet würde. Das ist alles.«
»Dann … dienst du ihm also nicht wirklich.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Nur wenn es zu meiner Rolle passt, oder wenn es mir gefällt, ihm einen Gefallen zu tun. Wie gesagt, wir sind schon seit langem befreundet, Pflichtgetreu. Es gibt nur wenig, was ich nicht für ihn tun würde oder er für mich.«
Der Ausdruck auf seinem Gesicht verriet mir, dass ich nicht zerstreut hatte, was auch immer ihn beunruhigte, doch zu diesem Zeitpunkt war ich bereit, es auf sich beruhen zu lassen. Ich konnte warten, bis er die geeigneten Worte fand, sich mir mitzuteilen. Aber mit der Hand auf der Türklinke sprach er plötzlich erneut. Seine Stimme klang rau, als kämen ihm die Worte gegen seinen Willen über die Lippen. »Gentil sagt, dass Fürst Leuenfarb Jungen mag.« Als ich nichts darauf erwiderte, fügte er schmerzerfüllt hinzu: »Fürs Bett.« Er starrte auf die Tür. Sein Nacken lief scharlachrot an.
Plötzlich
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