Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
sagte ruhig: »Dick, Dick, Dick. Komm schon. Das ist vollkommen unnötig.«
    Ich hatte gewusst, dass man mit der Alten Macht jemanden
zurückstoßen
konnte. Wer würde nicht vor den gefletschten Zähnen eines Hundes oder dem Hieb einer Katze ausweichen? Es ist nicht die Bedrohung, die einen zurückzwingt, sondern die Wucht des Zorns der Kreatur. Ich glaube, für einen Zwiehaften ist das Erlernen dieses > Zurückstoßens< genauso instinktiv wie die Flucht vor Gefahr. Dass es jedoch eine ergänzende Macht geben könnte, eine, die lockt und beruhigt, daran hatte ich bis jetzt noch nicht einmal gedacht.
    Ich hatte kein Wort für das, was von Web zu Dick ausging. Ich war nicht sein Ziel; dennoch war ich mir dessen am Rande bewusst. Es entspannte meine Muskeln und beruhigte mein pochendes Herz. Fast ohne mein Zutun senkten sich meine Schultern, und die Zähne, die ich zusammengebissen hatte, gingen wieder auseinander. Dicks Gesicht nahm einen verwunderten Ausdruck an. Er klappte den Mund auf, und seine Zunge ragte noch ein Stück weiter hinaus als gewöhnlich, während ihm die kleinen Augen fast zufielen. Web sagte in sanftem Ton: »Ruhig, mein Freund. Entspann dich. Komm. Komm mit mir.«
    Ein Kätzchen setzt einen bestimmten Gesichtsausdruck auf, wenn die Mutter es am Nacken packt und hochhebt. Diesen Gesichtsausdruck zeigte nun Dick, als Web ihm seine große Hand auf den Arm legte. »Schau nicht hin«, schlug ihm Web vor. »Halte den Blick auf mich gerichtet.« Und Dick gehorchte ihm. Er blickte Web ins Gesicht, während der Zwiehafte Meister ihn so leicht auf das Schiff führte, wie man einen Bullen am Nasenring führt. Ich blieb zitternd zurück, und mir lief der Schweiß über den Rücken. Der Spott der Zuschauer, als ich an Bord ging, trieb mir das Blut ins Gesicht.
    Die meisten von ihnen sprachen zumindest ansatzweise unsere Sprache. Dass sie sie nun benutzten, war Absicht, damit ich auch ja verstand, wie viel Verachtung sie mir entgegen brachten. Unglücklicherweise konnte ich nicht so tun, als würde ich sie ignorieren, denn mein rotes Gesicht verriet meine Scham, und ich hatte keine Möglichkeit, meinem Zorn Luft zu verschaffen, während ich Web hinterher trottete. Ich hörte, wie hinter mir die Laufplanke eingeholt wurde. Ich blickte nicht zurück, sondern folgte Web und Dick zu einem zeltartigen Gebilde an Deck.
    Unsere Unterkünfte waren weit primitiver als jene auf der
Maidenglück
. Auf dem Vordeck befand sich eine Kabine mit Holz wänden, wie ich sie von anderen Schiffen her kannte. Sie war in zwei Kammern geteilt. Die größere davon hatte man dem Prinzen und Chade gegeben, während die Zwiehafte Kordiale sich in der kleineren drängte. Das >Zelt< auf dem Achterdeck, zu dem ich ging, war für die Gardisten gedacht. Die Wände bestanden aus dickem Leder, das man über Stangen gespannt und am Deck verankert hatte. Diese Unterstände waren ein Zugeständnis an uns; die Outislander zogen ein offenes Deck vor, sei es nun, um Fracht zu transportieren oder zum Kämpfen. Ein Blick auf die Gesichter meiner Kameraden von der Garde verriet mir, wie unwillkommen Dick unter ihnen war, und nach meiner beschämenden Vorstellung auf dem Kai genoss auch ich kein großes Ansehen mehr bei ihnen. Web versuchte, Dick dazu zu bewegen, sich auf eine der Seekisten zu setzen, die von der
Maidenglück
herübergeholt worden waren.
    »Nein«, sagte ich ihm leise. »Der Prinz hat es lieber, wenn Dick dicht bei ihm wohnt. Wir sollten ihn in die andere Kabine bringen.«
    »Da ist es noch voller als hier«, erklärte mir Web, doch ich schüttelte den Kopf.
    »Die andere Kabine«, beharrte ich, und er gab nach. Dick ging mit ihm; noch immer hatte er diesen vertrauensseligen Gesichtsausdruck. Ich folgte ihnen. Ich fühlte mich so erschöpft, als hätte ich den ganzen Morgen mit Schwertkampfübungen verbracht. Erst später erfuhr ich, dass es Webs eigene Pritsche war, auf die er Dick nun setzte. Gentil saß in der Ecke auf einer schmaleren Pritsche, auf dem Schoß seine knurrende Katze. Kräusel, der Barde, inspizierte untröstlich drei gerissene Saiten einer kleinen Harfe. Flink blickte überall hin, nur nicht zu mir. Ich fühlte seine Bestürzung, dass man diesen Halbmenschen ausgerechnet zu ihnen in die Kabine brachte.
    Nachdem Dick sich auf der Pritsche niedergelassen hatte, strich Web ihm mit seiner schwieligen Hand über die verschwitzte Stirn. Einen Augenblick lang blickte Dick verwirrt zu uns hinauf; dann schloss er die Augen, müde

Weitere Kostenlose Bücher