Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
unserer Tochter teilen zu dürfen?«
Ich bin sicher, dass niemand Pflichtgetreu auf diese Worte vorbereitet hatte. Knallrot trat er vor. Er erwies der alten Frau auf Kriegerart seine Ehrerbietung und sagte in klar verständlichem Outislander: »Ich stehe vor den Müttern des Narwalclans und bitte um Erlaubnis, mein Blut mit dem euren mischen zu dürfen.«
Die alte Frau starrte ihn einen Augenblick lang an und verzog dann das Gesicht, doch blickte sie dabei nicht ihn an, sondern einen der jungen Männer, die ihren Stuhl getragen hatten. »Was hat ein Sklave aus den Sechs Provinzen hier verloren? Ist er ein Geschenk? Und warum versucht er, unsere Sprache zu sprechen, obwohl er es nicht kann? Schneid ihm die Zunge heraus, sollte er es noch einmal versuchen!«
Mit einem Schlag kehrte vollkommene Stille ein, nur unterbrochen von einem plötzlichen, lauten Lachen in den hinteren Reihen, das jedoch sofort zum Verstummen gebracht wurde. Irgendwie gelang es Pflichtgetreu, die Fassung zu bewahren, und er war klug genug, nicht zu versuchen, es der alten Frau zu erklären. Eine Frau aus der Gruppe der Narcheska trat neben die Große Mutter und flüsterte ihr aufgeregt ins Ohr. Die Große Mutter winkte ihr verärgert zu verschwinden.
»Hör mit diesem Gezische auf, Almata! Du weißt, dass ich kein Wort verstehe, wenn du so mit mir redest! Wo ist Peottre?« Sie schaute sich um, als hätte sie einen Schuh verlegt; dann hob sie den Blick und funkelte in Peottres Richtung. »Ah, da ist er ja! Du weißt, dass ich ihn am besten verstehe, Almata. Was macht er da hinten ? Komm her, du Halunke, und erklär mir, was das hier soll!«
Es hätte nicht eines gewissen Humors entbehrt, die alte Frau den erfahrenen Krieger so herumkommandieren zu sehen, wäre da nicht Peottres sorgenvolles Gesicht gewesen. Er ging zu ihr, ließ sich kurz auf ein Knie nieder und stand dann wieder auf. Die alte Frau legte ihm die Hand auf die Schulter. »Was soll das hier?«, verlangte sie erneut zu wissen.
»Oerttre«, antwortete Peottre leise. Ich nehme an, seine tiefe Stimme erreichte das Ohr der Alten besser als das schrille Flüstern der Frau. »Es geht um Oerttre. Erinnerst du dich?«
»Oerttre«, sagte die alte Frau, und plötzlich traten ihr die Tränen in die Augen. »Und Kossi? Die kleine Kossi auch? Ist sie hier? Ist sie endlich wieder nach Hause zurückgekehrt?«
»Nein«, antwortete Peottre knapp. »Sie sind nicht hier, keine von beiden. Und darum geht es hier. Erinnerst du dich? Wir haben heute Morgen im Garten darüber gesprochen. Erinnerst du dich?« Er nickte langsam, um sie zu ermutigen.
Die Große Mutter beobachtete sein Gesicht, nickte mit ihm und hielt dann wieder inne. Kurz schüttelte sie den Kopf. »Nein«, sagte sie mit leiser Stimme. »Ich erinnere mich nicht. Das Steinkraut hat aufgehört zu blühen, und die Pflaumen werden dieses Jahr vielleicht sauer. Dass wir darüber gesprochen haben, daran erinnere ich mich; aber ... nein. War es wichtig, Peottre?«
»Das war es, Große Mutter, und das ist es immer noch, sehr wichtig sogar.«
Sie blickte ihn besorgt und dann plötzlich wütend an. »Wichtig, wichtig! Wichtig, sagt ein Mann, aber was wissen Männer schon?« Gereizt und verächtlich hob sie ihre schrille, alte Stimme und schlug sich aufs Bein. »Eine Frau im Bett und Blutvergießen, das ist alles, woran sie denken können. Was wissen Männer schon von der Schafschur oder der Ernte? Wissen sie, wie viel Fisch man für den Winter einlagern muss, wie viel Schmalz? Wichtig? Nun, wenn es
wichtig
ist, dann lass Oerttre sich darum kümmern. Sie ist jetzt die Mutter, und mir sollte man lieber etwas Ruhe gönnen.« Sie nahm die Hand von Peottres Schulter und umklammerte die Stuhllehnen. »Ich brauche Ruhe!«, beschwerte sie sich mitleiderregend.
»Ja, Große Mutter. Ja, das brauchst du. Und du sollst dich jetzt auch ausruhen. Ich werde dafür sorgen, dass alles so gemacht wird, wie es gemacht werden soll. Ich verspreche es dir.« Und mit diesen Worten erschien Elliania aus den Schatten oben an der Treppe und eilte zu uns hinunter. Sie trug nur leichte Schuhe, und ihr Haar war zur Hälfte mit winzigen Nadeln hochgesteckt; der Rest fiel ihr offen über die Schultern. Es sah nicht beabsichtigt aus. Ihr folgten zwei junge Frauen, doch diese blieben plötzlich entsetzt stehen und flüsterten miteinander. Ich vermutete, dass sie Elliania gerade zurechtgemacht hatten, als diese die aufgeregten Stimmen vernommen hatte und ihnen einfach
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