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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ich hatte schon befürchtet, dass er direkt nach einer Erklärung für Nessel verlangen würde. Ich beschrieb ihm das Leid des kleinen Mannes und endete mit den Worten: »Ungeachtet seiner Gabenstärke sehe ich keine Möglichkeit, wie wir ihn zum Weitermachen bewegen können. Mit jedem Schiff, auf das wir gehen, mag er mich weniger und zeigt sich immer widerspenstiger. Wir riskieren, eine Feindseligkeit in ihm zu wecken, die wir nie mehr werden auslöschen können, eine Feindseligkeit, die ihn dazu veranlassen könnte, die Gabe einzusetzen, um unsere Bemühungen zu sabotieren. Wenn es irgend möglich ist, schlage ich vor, ihn in Zylig zu lassen, wenn wir nach Aslevjal segeln.«
    Chade knallte seinen Becher auf den Tisch. »Du weißt, dass das nicht geht. Warum fragst du dann überhaupt?« Ich wusste, dass er hinter dem Ärger seine eigenen Schuldgefühle verbarg, als er hinzufügte: »Ich schwöre dir, ich hätte nie gedacht, dass es so hart für ihn werden würde. Ist es denn nicht irgendwie möglich, ihm klarzumachen, wie wichtig das ist, was wir tun?«
    »Dem Prinzen könnte es gelingen, ihm das zu vermitteln. Dick ist im Augenblick so wütend auf mich, dass er mir vermutlich noch nicht einmal zuhören wird.«
    »Er ist nicht der einzige, der wütend auf dich ist«, bemerkte Pflichtgetreu kühl.
    »Soll ich euch beide allein lassen, während ihr das diskutiert?« Chade stand ein wenig zu schnell auf.
    »O nein. Da du ja auch nichts von Nessel und ihrem Drachen weißt, sollte dich die Erklärung genauso erleuchten wie mich.«
    Langsam sank Chade wieder auf den Stuhl zurück; der Sarkasmus des Prinzen hatte ihn sehr wohl getroffen. Ich wusste sofort, dass der alte Mann mir nicht helfen würde. Vermutlich genoss es Chade sogar, mich derart in die Enge getrieben zu sehen.
    »Wer ist Nessel?«, verlangte Pflichtgetreu zu wissen.
    Ich antwortete ohne Umschweife: »Meine Tochter. Allerdings weiß sie das nicht.«
    Pflichtgetreu ließ sich auf seinem Stuhl zurücksinken, als hätte ich ihm einen Eimer kalten Wassers über den Kopf gegossen. Es folgte ein langes Schweigen. Chade - verdammt soll er sein - hob die Hand vor den Mund, doch nicht bevor ich sein Lächeln gesehen hatte. Ich blickte ihn voller Wut an. Der alte Mann ließ die Hand wieder sinken und grinste offen.
    »Ich verstehe«, sagte Pflichtgetreu nach einer Weile. »Ich habe also eine Cousine! Wie alt ist sie? Wie kommt es, dass ich sie noch nie getroffen habe? Oder habe ich das? Wann war sie zum letzten Mal am Hof? Wer ist ihre Frau Mutter?«
    Ich fand meine Stimme nicht, und ich hasste es, als Chade für mich sprach. »Sie war noch nie bei Hofe, mein Prinz. Ihre Mutter ist eine Kerzenmacherin. Ihr Vater ... Der Mann, den sie für ihren Vater hält, ist Burrich, der ehemalige Stallmeister von Bocksburg. Ich glaube, sie ist jetzt sechzehn.« An dieser Stelle hielt er inne, als wolle er dem Prinzen Zeit geben, das alles zu verarbeiten.
    »Flinks Vater? Dann ... ist Flink dein Sohn? Du hast von einem Pflegesohn gesprochen, aber...«
    »Flink ist Burrichs Sohn und Nessels Halbbruder.« Ich atmete tief durch und hörte mich selbst fragen: »Habt ihr Branntwein hier? Wein reicht nicht für diese Geschichte.«
    »Das glaube ich dir gerne.« Pflichtgetreu stand auf und holte, wonach ich verlangt hatte. In diesem Augenblick war er mehr mein Neffe, denn mein Prinz, ganz und gar fasziniert von unserer Familiengeschichte. Es fiel mir schwer, diese alte Geschichte zu erzählen, und irgendwie machte Chades mitfühlendes Nicken das Ganze noch viel schlimmer. Nachdem ich ihm die verwirrenden Verbindungen sorgsam erklärt hatte, schüttelte Pflichtgetreu den Kopf.
    »Was für ein Chaos hast du da angerichtet, FitzChivalric? Jetzt ergibt das, was meine Mutter mir über dein Leben erzählt hat, viel mehr Sinn. Und wie sehr musst du Molly und Burrich dafür hassen, dass sie dich einfach so treulos beiseite geworfen haben und nun Trost beieinander finden?«
    Es entsetzte mich, dass er so darüber sprach. »Nein«, widersprach ich ihm in festem Tonfall. »So war das nicht. Sie haben mich für tot gehalten. Dass sie weitergelebt haben, hat nichts mit Treulosigkeit zu tun, und wenn Molly sich schon jemand anderen hat suchen müssen, dann ... dann bin ich froh, dass dieser Jemand ihrer wert ist. Und was Burrich betrifft, so hat er endlich ein wenig Glück gefunden. Und zusammen beschützen sie mein Kind.« Mir zog sich der Hals zu, und das Sprechen fiel mir immer schwerer. Ich

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