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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ich hätte ähnlich leicht die unangenehme Situation zwischen mir und dem Narren bereinigen können. Wir hatten kein Wort miteinander gewechselt, und doch spürte ich seinen Zorn wie den kalten Wind auf meiner Haut. Ich wünschte, er wäre diesen Abend in seinem Zelt am Ufer geblieben; das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, in Ruhe mit ihm zu reden. Aber man hatte ihn zu dem Abendmahl auf das Schiff geladen. Ich fragte mich, wer die Einladung ausgesprochen hatte: der Prinz, weil er fasziniert war, oder Chade, weil er den goldhaarigen Mann dort haben wollte, wo er ihn beobachten konnte.
    Ich ging im Zwielicht am Strand entlang und fand alles so vor, wie Chades Spione berichtet hatten. Die Ebbe hatte eingesetzt und mehr vom Strand enthüllt. Von Entenmuscheln bewachsene Haufen ragten in Doppelreihe und in seltsamen Winkeln aus dem Sand und deuteten auf ein einstiges Dock hin. Irgendwann hatte es auch einmal Steingebäude an Land gegeben, doch die waren schon lange zerfallen. Nur noch kniehohe Mauern waren davon übrig, abgebrochene Zähne in einem leeren Schädel. Der restlichen Trümmer waren sowohl inner- als auch außerhalb der Fundamente verteilt. Ich runzelte die Stirn. Die Zerstörung war zu vollständig. War diese Siedlung von jemandem heimgesucht worden, der nicht nur die Einwohner hatte töten, sondern das Ganze auch unbewohnbar machen wollen? Es sah aus, als hätte dieser Jemand versucht, diese Siedlung dem Erdboden gleich zu machen.
    Ich kletterte auf die kleine Anhöhe über dem Kiesstrand hinaus. Eine von Felsen übersäte Grasfläche empfing mich dort, aus der mit dem Ende des Tages alle Farbe wich. Es gab hier keine Bäume, nur ein paar verdrehte Büsche. Es mochte ja Sommer sein, doch der Gletscher über uns ließ das ganze Jahr über nur eine Jahreszeit zu: den Winter. Ich watete durch das Gras, und die Samenkapseln rieben an meiner Hose. Dann erreichte ich ohne Vorwarnung den Rand eines Steinbruchs. Wäre es dunkler gewesen, wäre ich vermutlich hineingefallen. Ich stand am Rand und blickte hinunter. Ein paar Fuß unter mir begannen schwarze Steinwände, die mit silbernen Fäden durchzogen waren. Mir lief ein Schauder über den Rücken. Früher hatte man hier offenbar Erinnerungsstein gewonnen, genau wie in dem riesigen Steinbruch in den Bergen, wo man Veritas' Drachen aus diesem Gestein gehauen hatte. Das Wasser, das sich am Grund des Steinbruchs gesammelt hatte, wirkte wie ein zweiter, sternenloser Himmel, nur unter mir. Zwei große Steine, die eindeutig von Menschen bearbeitet worden waren, ragten wie Inseln aus dem Wasser.
    Langsam zog ich mich vom Rand zurück und kehrte ins Lager zurück. Ich wollte mit Chade und dem Prinzen sprechen, verspürte jedoch ein viel größeres Verlangen, mit dem Narren über all diese Dinge zu reden. Ich stand am Klippenrand und blickte zur
Keiler
hinüber, die von unseren Landungsbooten umgeben sanft vor Anker schwojte. Morgen würde sie wieder abfahren und Arkon Blutklinge nach Zylig zurückbringen, während wir hier bleiben und uns auf die Suche nach dem Drachen begeben würden. Das Rauschen der Wellen, die an den Strand spülten, hätte eigentlich beruhigend auf mich wirken sollen; doch stattdessen machte das Meer den erbarmungslosen, fest entschlossenen Eindruck, als wollte es das Land verschlingen.
    Plötzlich tauchte aus den dunklen Wellen ein großes Tier in Ufernähe auf. Ich versuchte zu erkennen, um was es sich dabei handelte. Die Kreatur verschwand unter der nächsten Welle und tauchte dann wieder auf. In den Augenblicken, da sie zu sehen war, verharrte sie scheinbar vollkommen regungslos im Wasser. Ich kniff die Augen zusammen, um besser zu sehen. Doch vor den dunklen Wellen konnte ich das Tier nur als schwarzen Schatten ausmachen. Ich schätzte, dass es ungefähr so groß war wie ein kleiner Wal sein musste. Eine komische Vorstellung, dass sich eine derart große Kreatur ins seichte Wasser verirrte. Ich verzog das Gesicht. Sie hätte nicht so nahe am Ufer sein sollen, es sei denn, sie war tot und von der Flut an Land gespült worden. Tatsächlich fühlte ich mit meinen zwiehaften Sinnen die Resignation eines sterbenden Tieres, aber ich spürte auch, dass noch ein winziger Funke Leben in ihr schlummerte.
    Ich stand über dem Strand und beobachtete, wie die zurückweichenden Wellen nicht nur die formlose Gestalt, sondern auch mehrere große Felsblöcke enthüllten, die nass im Mondlicht schimmerten. Ich vergaß alles andere, während die Wellen langsam

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