Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
abzulenken, was wohl aus dem Narren geworden war, doch das verschlimmerte nur noch mein Gefühl, ersticken zu müssen. Ich ließ mein Kinn auf die Brust sinken, schloss die Augen und versuchte, allein zu sein.
Es funktionierte nicht.
Sieber hockte sich neben mich auf die Seekiste. »Bei Edas Titten, stinkt das hier unten! Glaubst du, es wird noch schlimmer, wenn wir unterwegs sind und es in der Bilge hin-und herschwappt?«
»Vermutlich.« Ich wollte nicht daran denken, bevor es so weit war. Ich war auch früher schon zur See gefahren, doch da hatte ich immer an Deck geschlafen oder zumindest freien Zugang dazu gehabt. Hier, in der beengten Dunkelheit, bescherte mir selbst das leichte Schaukeln des Schiffes gegen den Kai schon Kopfschmerzen.
»Nun.« Sieber trat mit den Fersen gegen die Truhe und sandte ein Zittern durch mein Rückgrat bis in den Kopf. »Ich war noch nie auf See. Du?«
»Ein-, zweimal. Auf kleinen Booten, wo ich Licht und Luft hatte, nicht auf sowas hier.«
»Oh. Und warst du auch schon Mal auf den Äußeren Inseln?«
»Nein.«
»Alles in Ordnung, Tom?«
»Nicht wirklich. Letzte Nacht habe ich wohl ein wenig zu viel getrunken und zu wenig geschlafen.«
Das war eine Lüge, doch sie funktionierte. Sieber grinste und versetzte mir einen freundschaftlichen Stoß, der mich knurren ließ; dann ließ er mich allein. Der Lärm drang von allen Seiten auf mich ein. Ich fühlte mich hundeelend und hatte Angst. Ich wünschte nur, ich hätte nicht so viele Pasteten zum Frühstück gegessen. Niemand schenkte mir Aufmerksamkeit. Mein Kragen war zu eng, und Sada hatte das Schiff bereits verlassen; so konnte sie ihn nicht mehr für mich ändern.
»Dick«, flüsterte ich und erkannte die Quelle meines Elends. Ich setzte mich gerade auf, atmete die faule Luft tief ein und versuchte, mich nicht zu übergeben. Dann griff ich nach ihm.
Hey, kleiner Mann. Alles in Ordnung ?
Nein.
Wo bist du?
In einem kleinen Raum. Da ist ein rundes Fenster; und der Boden bewegt sich.
Dann geht es dir besser als mir. Ich habe noch nicht einmal ein Fenster.
Der Boden bewegt sich.
Ich weiß. Aber es wird uns schon gut gehen. Bald werden die ganzen Leute das Schiff verlassen. Dann machen die Seeleute die Leinen los, und wir werden unserem Abenteuer entgegensegeln. Meinst du nicht, dass das lustig wird?
Nein. Ich will nach Hause.
Oh, wenn wir erst einmal unterwegs sind, wird es schon besser werden. Du wirst sehen.
Nein, das wird es nicht Der Boden bewegt sich. Und Sada sagt, dass ich seekrank werde.
Ich wünschte, ich hätte daran gedacht, Sada zu ermahnen, positiv über die Reise zu sprechen.
Kommt Sada mit uns ? Ist sie an Bord ? Nein. Nur ich. Ich bin allein. Weil Sada auf Schiffen so schrecklich krank wird. Es tat ihr Leid, dass ich gehen musste. Sie hat gesagt, ein Tag auf einem Schiff sei wie ein Jahr für sie, und dass es auf einem Schiff nichts anderes zu tun gebe, als krank zu sein und zu kotzen und zu kotzen und zu kotzen.
Unglücklicherweise hatte Dick Recht. Es war schon spät am Nachmittag, als all jene das Schiff verließen, die sich von uns verabschieden wollten. Es gelang mir, an Deck zu kommen, aber nur kurz, denn der Kapitän verfluchte uns Gardisten und befahl uns, wieder nach unten zu gehen, damit seine Leute Platz zum Arbeiten hatten. Bei dem kurzen Blick, den ich auf die Leute am Ufer werfen konnte, sah ich keine Spur vom Narren. Ich hatte mich davor gefürchtet, seinem anklagenden Blick zu begegnen, doch ihn gar nicht zu sehen, beunruhigte mich noch mehr. Dann wurde ich mit dem Rest der Gardisten unter Deck gescheucht. Die Luken wurden über uns geschlossen, und wir waren wieder vom Licht und der Frischluft abgeschottet. Der harzige Geruch der geteerten Schiffsplanken wurde immer stärker. Über uns befahl der Kapitän den Besatzungen in den Beibooten, uns vom Pier zu ziehen. Die Geräusche veränderten sich, als wir uns durchs Wasser bewegten. Der Kapitän brüllte unverständliche Befehle, und ich hörte das Platschen nackter Füße auf Deck, als die Seeleute über die Planken eilten.
Dann hörte ich, wie die Beiboote zurückgerufen und eingeholt wurden. Das Fahrzeug neigte sich kurz zur Seite; dann veränderte sich der Rhythmus der Bewegung wieder. Ich ging davon aus, dass sich soeben die Segel im Wind gebläht hatten. Das war es also. Wir waren unterwegs. Irgendjemand hatte Mitleid mit uns hier unten und öffnete die Luke einen Spalt, was ich jedoch mehr als Spott denn als Trost empfand. Ich
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