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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Träume die Moral auf dem Schiff unterminierten. Auch berichtete ich ihr, dass er fest davon überzeugt sei, für alle Zeiten seekrank zu sein, und dass diese Übelkeit ihn schlussendlich töten würde. Und während ich ihr all das erzählte, wuchsen und wanden die Dornen sich auf uns zu, und ich sah, wie Nessel rasch ihre Schlüsse aus meinen Worten zog: dass ich mich ebenfalls an Bord dieses Schiffes befand, und dass ihr Bruder daher nicht weit von mir sein konnte, also mit dem Weitseherprinzen reiste. So ländlich ihre Heimat auch sein mochte, ich fragte mich, wie viel sie über die Narcheska und die Queste des Prinzen gehört hatte. Ich musste mich das nicht lange fragen. Nessel setzte die Geschichte selbst zusammen.
    »Es ist also der schwarze Drache, nach dem der Silberne immer fragt. Und er ist es auch, den der Prinz erschlagen will.«
    »Sprich ihren Namen nicht aus«, bat ich sie.
    Nessel blickte mich ob meiner närrischen Angst verächtlich an. Dann sagte sie leise, »Da kommen sie«, und die Dornenranken umschlangen uns.
    Sie machten ein knackendes Geräusch, als sie sich um unsere Fußgelenke wanden und dann zu unseren Knien raufkrochen wie Feuer einen Baum. Die Dornen drangen in unser Fleisch, und dann wirbelte ein dichter Nebel um uns herum, erstickend und bedrohlich.
    »Was ist das?«, rief Nessel verärgert, und als der Nebel sie vor meinem Blick verbarg: »Hör auf damit. Schattenwolf, hör sofort auf damit! Das ist alles deins; du bist für dieses Chaos verantwortlich. Hör sofort auf!«
    Und sie entriss mir meinen Traum. Das war ein Gefühl, als würde einem jemand die Decke wegreißen; was mich jedoch noch mehr erschütterte, war die Tatsache, dass es eine Erinnerung in mir weckte, die ich zugleich erkannte und doch auch wieder nicht: eine andere Zeit und eine ältere Frau, die mir irgendetwas Faszinierendes und Glänzendes aus der kindlichen Faust wand und sagte: »Nein, mein Junge. Das ist nichts für kleine Kinder.«
    Es verschlug mir den Atem, dass mein Traum so plötzlich verbannt worden war, doch nur einen Augenblick später stürzten wir im wörtlichen Sinne in Dicks Traum. Der Nebel und die Dornen verschwanden, und das kalte Salzwasser schlug über meinem Kopf zusammen. Ich ertrank. Egal wie sehr ich mich auch bemühte, ich konnte die Wasseroberfläche nicht durchbrechen. Dann packte eine Hand die meine, und als Nessel mich neben sich in die Höhe zog, rief sie verärgert: »Du bist so leichtgläubig! Das ist nur ein Traum, mehr nicht. Und jetzt ist es mein Traum, und in meinen Träumen können wir auf den Wellen gehen. Komm.«
    Sie sagte es, und es war so. Trotzdem hielt ich mich weiter an ihrer Hand fest, während wir über die Wogen schritten, überall um uns herum war Wasser, von Land keine Spur, und Dicks Musik war der Wind, der über die Wellen wehte. Ich kniff die Augen zusammen und fragte mich, wie wir Dick in dieser endlosen, eintönigen Welt finden sollten, doch Nessel drückte neine Hand und verkündete klar und deutlich durch Dicks wildes Lied hindurch: »Wir sind ihm schon sehr nahe.«
    Nach ein paar Schritten sank Nessel auf die Knie und stieß ein mitleidiges Geräusch aus. Das blendende Sonnenlicht, das vom Wasser reflektiert wurde, verbarg, worauf auch immer sie blickte. So kniete ich mich neben sie, und mir brach das Herz.
    Er kannte es zu gut. Er musste es irgendwann einmal gesehen haben. Das ertrunkene Kätzchen trieb knapp unter der Wasseroberfläche. Es war so jung, dass sich noch nicht einmal die Augen geöffnet hatten, und nun hing es schwerelos im Griff des Meeres. Sein Fell wiegte sich im Wasser, doch als Nessel die Hand ausstreckte, um das Kätzchen am Nacken zu packen, glättete es sich plötzlich. Das Kätzchen baumelte in ihrer Hand, und Wasser strömte von Schwanz, Pfoten und aus der Nase und dem offenen Maul. Furchtlos hielt Nessel die winzige Kreatur in der hohlen Hand. Sie beugte sich über das Tier und massierte vorsichtig den kleinen Brustkorb mit Daumen und Zeigefinger. Dann hielt sie das winzige Gesicht dicht vor ihres und blies Luft in das offene rote Maul. In diesem Augenblick war sie ganz und gar Burrichs Tochter. So hatte er früher immer den Gebärmutterschleim aus dem Maul eines neugeborenen Welpen geblasen.
    »Alles ist wieder gut«, sagte sie zu dem Kätzchen. Sie streichelte das kleine Wesen, und dort, wo ihre Hand über das Fell fuhr, war es trocken und weich. Das Kätzchen war rot-weiß gestreift, wie ich nun sah. Noch einen Augenblick zuvor

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