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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gut werden wird. Dann werden seine Träume vielleicht wieder ruhiger sein, und wir alle könnten schlafen.«
    »Und wie soll ich das machen?« Nessel schien kurz zu überlegen, dann sagte sie in schärferem Ton: »Und warum sollte ich es überhaupt tun? Was bietest du mir als Gegenleistung an, Schattenwolf?«
    Es gefiel mir nicht, dass es nun ans Feilschen ging, doch dafür konnte ich nur mir die Schuld geben. Das Grausamste war, dass ich das Einzige, was ich ihr anbieten konnte, den Schmerz und die Schuldgefühle ihres Vaters noch um ein Vielfaches vergrößern würde. Langsam sagte ich: »Was das >Wie< betrifft: Du bist sehr stark in der Magie, mit der man in die Träume anderer Menschen vordringen und sie verändern kann. Vielleicht sogar stark genug, um die Träume meines Freundes für ihn zu formen, obwohl er selbst ebenfalls über eine starke Magie verfügt -
und
er hat große Angst.«
    »Ich habe keine Magie.«
    Ich ignorierte ihre Worte. »Und was das >Warum< betrifft... Ich habe dir gesagt, dass Flink bei mir und in Sicherheit ist. Du zweifelst an meinen Worten, und das kann ich dir auch nicht zum Vorwurf machen; schließlich habe ich dich mit meinem letzten Versprechen enttäuscht. Aber ich werde dir etwas sagen, das du an deinen Vater weitergeben kannst. Es wird ... Es wird hart für ihn sein, das zu hören; aber wenn er es hört, wird er wissen, dass das, was ich sage, der Wahrheit entspricht. Er wird wissen, dass dein Bruder lebt und dass es ihm gut geht. Und er wird wissen, dass er bei mir ist.«
    »Dann sag mir, was ich ihm sagen soll.«
    Kurz dachte ich auf Chade-typische Art darüber nach, von ihr zu verlangen, sie solle mir zuerst mit Dicks Traum helfen; dann jedoch schob ich diesen Gedanken entschlossen wieder beiseite. Meine Tochter schuldete mir genauso viel, wie ich ihr gegeben hatte: nichts. Vielleicht fürchtete ich auch, dass ich den Mut verlieren würde, sollte ich nicht sofort mit ihr reden. Diese Worte auszusprechen, war jedoch, als würde ich meine Zunge an glühende Kohlen legen. Nichtsdestotrotz sagte ich sie. »Sag ihm, du hättest von einem Wolf mit Stachelschweinstacheln in der Schnauze geträumt, und dass der Wolf zu dir gesagt hätte: >So wie einst du, tue ich es jetzt. Ich behüte und leite deinen Sohn. Ich werde ihn mit meinem Leben beschützen, und sobald meine Aufgabe erledigt ist, werde ich ihn wieder zu dir nach Hause bringen.<«
    Ich hatte meine Botschaft so gut verschleiert, wie es mir unter den Umständen möglich war. Trotzdem kam Nessel der Wahrheit gefährlich nahe, als sie fragte: »Mein Vater hat sich vor Jahren um deinen Sohn gekümmert?«
    Manche Entscheidungen fallen einem leichter, wenn man sich nicht die Zeit lässt, darüber nachzudenken. »Ja«, log ich meine Tochter an. »Genau.«
    Ich beobachtete, wie sie kurz darüber nachdachte. Langsam schmolz ihr Glasturm zu Wasser. Warm und harmlos floss es an meinen Füßen vorbei, bis Nessels Balkon den Boden erreicht hatte. Sie bot mir ihre Hand an, um mir zu helfen, über das Geländer zu klettern. Ich nahm sie, berührte im Traum meine Tochter zum ersten Mal in ihrem Leben. Ihre sonnengebräunten Finger ruhten kurz auf meiner Pfote. Dann löste sie sich wieder von mir und blickte zu dem Nebel und dem sich windenden Gestrüpp hinunter, das den Hügel zu uns hinaufkroch.
    »Du weißt, dass ich so etwas noch nie getan habe, oder?« »Ich auch nicht«, gab ich zu.
    »Erzähl mir etwas über ihn, bevor wir in seinen Traum gehen«, schlug sie vor.
    Der Nebel und die Dornen krochen immer näher. Ich konnte ihr nicht viel über Dick erzählten, ohne zu viel zu verraten, doch andererseits konnte es sich für uns alle als ausgesprochen gefährlich erweisen, wenn sie unwissend in seinen Traum vordrang. Ich konnte nicht beeinflussen, was Dick ihr im Zusammenhang des Traums enthüllte. Einen winzigen Augenblick lang fragte ich mich, ob ich mich mit Chade oder Pflichtgetreu hätte beraten sollen, bevor ich Nessel um ihre Hilfe gebeten hatte. Dann lächelte ich grimmig vor mich hin. Ich war der Gabenmeister, oder etwa nicht? Und in dieser Funktion lag die Entscheidung einzig und allein bei mir.
    Und so erzählte ich meiner Tochter, dass Dick einen äußerst schlichten Geist besaß, wie ein Kind, zugleich jedoch die Kraft einer Armee, wenn es um die Gabe ging. Ich erzählte ihr sogar, dass er dem Weitseherprinzen diente, und dass er mit ihm auf einem Schiff fuhr. Ich erzählte ihr, wie machtvoll seine Gabenmusik war, und wie seine

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