Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
Vater der Narcheska, Arkon Blutklinge, saß ein Stück von Peottre entfernt, umgeben von seinen Eberkriegern. Arkons Stirn blieb glatt, als hätte der Tadel nichts mit ihm zu tun, und vielleicht war das aus seiner Sicht auch so. Der Otter hatte Elliania als Tochter der Schwarzwasserfamilie des Narwalclans getadelt. Arkon Blutklinge war ein Eber. Hier, inmitten seiner eigenen Leute, übernahm er die Rolle, die man von ihm erwartete. Er war nur der Vater der Narcheska. Der Bruder ihrer Mutter, Peottre Schwarzwasser, trug die Verantwortung für ihre Erziehung.
Nachdem das Schweigen lange genug angedauert hatte, sodass offensichtlich wurde, dass niemand gedachte, die Tat der Narcheska zu verteidigen, räusperte sich der Otterführer. »Es ist wahr, dass Ihr als Mann Euer Wort nicht zurücknehmen könnt, Prinz des Hirschclans von Bocksburg. Ihr habt gesagt, dass Ihr dieses Unterfangen versuchen wollt, und ich will einräumen, dass Ihr das müsst, wollt Ihr weiterhin als Mann gelten.
Doch das entbindet uns von den Äußeren Inseln nicht von unseren Pflichten. Eisfeuer gehört uns. Was erzählen uns unsere großen Mütter? Er kam in jener Zeit zu uns, da die Jahre noch nicht gezählt wurden, und bat uns um Asyl in seiner Trauer. Unsere weisen Frauen haben es ihm gewährt, und als Gegenleistung hat er uns Schutz versprochen. Wir kennen die Macht seines Geistes und die Unverwundbarkeit seines Fleisches, und so fürchten wir auch nicht, dass Ihr ihn erschlagen könntet. Doch sollte es Euch durch irgendeinen unglücklichen Zufall gelingen, ihn zu verletzten, auf wen würde dann sein Zorn fallen, nachdem er Euch getötet hat? Auf uns.« Er drehte sich langsam im Kreis, während er sprach, und richtete seine Warnung an alle Clans. »Wenn Eisfeuer uns gehört, so gehören wir auch ihm. Wir sind wie durch einen Treueschwur an ihn gebunden. Wird sein Blut vergossen, müssen wir dann nicht auch Blut vergießen? Wenn wir als die Seinen ihm nicht zur Hilfe eilen, kann er nach unserem Gesetz dann nicht sein Blut zehnfach von uns zurückverlangen? Dieser Prinz muss sein Wort als Mann halten. Das ist so. Doch hinterher? Müssen wir dann nicht wieder in den Krieg ziehen, egal ob er lebt oder stirbt?«
Ich sah, wie Arkon Blutklinge tief durchatmete, und jetzt bemerkte ich auch, was mir bis jetzt nicht aufgefallen war: dass er seine Hand auf bestimmte Art hielt, offen, doch die Finger auf die Brust gerichtet, und mehrere Männer machten die gleiche Geste. War das eine Bitte, sprechen zu dürfen? Ja, denn nachdem der Otterkrieger die mir inzwischen vertrauten Verneigungen ausgeführt hatte, stand Blutklinge auf und trat in den Kreis.
»Niemand von uns will einen erneuten Krieg. Nicht hier auf den Gottesrunen und auch nicht auf den Feldern des Prinzen jenseits des Meeres. Doch ein Mann muss sein Wort halten. Und obwohl wir alle hier Männer sind, so haben wir es hier doch auch mit dem Willen einer Frau zu tun. Und welcher Krieger vermag dem Willen einer Frau standzuhalten? Welches Schwert vermag ihre Sturheit zu zerschlagen? Den Frauen hat Eda die Inseln gegeben, und wir wandeln nur dank ihrer Gunst auf ihnen. Kein Mann darf die Herausforderung einer Frau missachten, damit unsere eigenen Mütter nicht zu uns sagen: >Ihr respektiert das Fleisch nicht, dem ihr entsprungen seid. Wandelt nie mehr auf der Erde, die Eda uns geschenkt hat. Lebt von uns getrennt, nur mit Wasser unter dem Kiel und nie mehr mit Sand unter den Füßen.< Ist das leichter als Krieg? Wir sind zwischen dem Wort eines Mannes und dem Willen einer Frau gefangen. Keines von beiden kann gebrochen werden, ohne Schande über uns alle zu bringen.«
Ich hatte Blutklinges Worte verstanden, doch ihre ganze Tragweite blieb mir verborgen. Offensichtlich ging es hier um eine Tradition, mit der wir nicht vertraut waren, und ich fragte mich, in was wir da mit unseren Hochzeitsplänen hineingestolpert waren. In eine Falle vielleicht? Hatte die Schwarzwasserfamilie des Narwalclans die Absicht, die Sechs Provinzen und die Äußeren Inseln wieder in einen Krieg zu stürzen? Hatten sie uns die Hand der Narcheska nur angeboten, um uns in eine Situation zu bringen, die so oder so zu neuem Blutvergießen an unseren Ufern führen würde?
Ich betrachtete Peottre Schwarzwassers Gesicht. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war unbeirrbar und ruhig. Ihm schien das Dilemma gleichgültig zu sein, in das seine Schwestertochter uns gebracht hatte, und doch fühlte ich, dass dem nicht so war. Stattdessen
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