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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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hatte ich den Eindruck, dass wir auf einer Klinge balancierten, die schon tief in ihn hineingeschnitten hatte. Er sah aus wie ein Mann, dem keine Wahl blieb - wie ein Mann, der keine Hoffnung mehr hatte, weil er wusste, dass nichts, was er tat, ihn retten konnte. Er wartete. Er machte keine Pläne. Er hatte die Aufgabe bereits erfüllt, die er sich vorgenommen hatte. Nun konnte er nur noch warten und zuschauen, wie andere sie zu Ende führten. Ich war sicher, dass ich Recht hatte, doch verstand ich nicht, ja ahnte ich noch nicht einmal
warum.
Warum hatte er es getan? Oder war es schlicht so, wie ihr Vater gesagt hatte: Unterlag diese Angelegenheit nicht mehr seiner Kontrolle? Wie mächtig war der Wille einer Frau, die weit jünger war als er und von ihm abhing und doch darüber entschied, wer die Erde ihrer Mütter betreten durfte?
    Ich schaute mich um und kam zu dem Schluss, dass es einfach viel zu viele Differenzen zwischen uns gab. Wie sollten die Sechs Provinzen je Frieden mit den Äußeren Inseln schließen, wenn unsere Sitten und Bräuche sich so sehr voneinander unterschieden? Doch der Überlieferung zufolge lagen die Wurzeln der Weitseher auf den Äußeren Inseln. Nehmer, der erste Weitseherherrscher, hatte sein Leben angeblich als Plünderer von den Äußeren Inseln begonnen, bis er das Holzfort von Bocksburg für sich beansprucht hatte. Seitdem hatten sich unsere Gebräuche jedoch weit auseinander entwickelt. Nun hingen Frieden und Wohlstand für beide Seiten entscheidend davon ab, dass wir einen Konsens fanden.
    Das war jedoch nicht gerade sehr wahrscheinlich.
    Ich hob den Blick und sah, dass der Prinz mich anschaute. Bis jetzt hatte ich ihn nicht ablenken wollen; nun sandte ich ihm einen beruhigenden Gedanken.
Dick ruht sich oben aus. Er hat gegessen und getrunken, bevor er eingeschlafen ist.
    Ich wünschte, ich könnte das Gleiche tun. Sie haben mir noch nicht einmal Gelegenheit gegeben, mir das Gesicht zu waschen, bevor sie den Hetgurd zusammengerufen haben. Und jetzt sieht es so aus, als würde das niemals enden.
    Geduld, mein Prinz. Irgendwann hören sie schon auf. Selbst Outislander müssen essen, trinken und schlafen.
    Und glaubst du, dass sie auch pinkeln müssen ? Was mich betrifft, so wird das allmählich zu einem ernsten Problem. Ich habe schon daran gedacht, mich leise davonzustehlen, doch ich weiß nicht, wie sie es aufnehmen würde, sollte ich einfach gehen.
    Mir sträubten sich die Nackenhaare, als ich plötzlich eine unbeholfene Gabenberührung spürte.
Dick?
    Nein, es war Chade. Ich sah, wie Pflichtgetreu die Hand nach dem alten Mann ausstreckte, um diesen zu unterstützen. Ich hielt ihn davon ab.
Nein. Nicht. Lass es ihn allein versuchen. Chade, kannst du uns hören?
    Schlecht
    Dick schläft oben. Er hat gegessen und getrunken. Gut.
Ich fühlte, welche Kraft ihn diese knappe Antwort kostete. Nichtsdestotrotz grinste ich. Er hatte es geschafft.
    Hör auf mit diesem dummen Grinsen,
tadelte er mich. Ernst ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen.
Schlimme Situation. Brauche Zeit zum Nachdenken. Muss das beenden, bevor es zu weit geht.
    Arkon Blutklinge übergab den Rednerkreis an einen Mann mit einem Adlerwappen. Kurz begrüßten sie sich auf Kriegerart; dann betrat der Adlerkaempra den Kreis. Er war ein alter Mann, vermutlich der Älteste der Versammlung. Sein dünner werdendes Haar war grau und weiß, und doch bewegte er sich noch wie ein Krieger. Vorwurfsvoll blickte er auf uns und fing dann unvermittelt an zu sprechen, wobei die jeweils letzten Silben dank fehlender Zähne seltsam weich klangen.
    »Ohne Zweifel muss ein Mann tun, was er gesagt hat, das er tun wird. Darüber zu diskutieren, ist reine Zeitverschwendung. Und Männer müssen auch ihrem Volk gegenüber die Treue wahren. Wäre dieser fremde Prinz hierher gekommen und hätte gesagt, >Ich habe einer Frau versprochen, Orig vom Adlerclan zu töten<, hättet ihr alle geantwortet, >Wenn du dein Wort gegeben hast, dann musst du es versuchen<. Aber wir würden auch sagen, >Wisse, dass einige von uns Orig in Treue verbunden sind, und wir werden dich töten, bevor wir dich das tun lassen.< Und wir würden vom Prinzen erwarten, dass er das als richtig akzeptiert.« Verächtlich ließ er seinen Blick langsam über die Versammlung wandern. »Ich rieche Händler und Kaufleute hier, die einst Krieger und ehrenhafte Männer waren. Sollen wir den Waren der Sechs Provinzen hinterher schnüffeln wie ein Rüde hinter einer läufigen

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