Die 39 Zeichen 09 - Ruf der Karibik
Anwesenheit, begann Dan sich zu rühren. Amy wartete, bis er richtig wach war und sich ein wenig aufgesetzt hatte. Dann gab sie ihm etwas zu trinken.
Nellie berichtete, dass Miss Alice die Nachricht einigermaßen gefasst aufgenommen habe und ihre Nichte aus Montego Bay anreisen würde, um bei ihr sein zu können.
»Sie ist nicht so leicht unterzukriegen«, meinte Nellie und in ihrer Stimme lag Bewunderung.
Auf einmal fiel Amy etwas ein. »Wo ist die Schatulle?«, fragte sie Nellie. Sie hatte seit der ganzen Sache nicht ein einziges Mal daran gedacht. »Wir haben uns am Strand getrennt«, erklärte sie Dan. »Nellie hatte die Schatulle.«
»Keine Sorge, sie ist in Sicherheit«, beruhigte Nellie sie und wedelte mit der Hand, als wolle sie nichts davon wissen.
Amy runzelte die Stirn. »Wo denn?«
»Ich hab doch gesagt: in Sicherheit«, erwiderte Nellie leicht genervt.
»Warum sagst du dann nicht, wo sie ist?«
»Kannst du mir nicht einmal vertrauen …«
»Hört auf! Es reicht!«, unterbrach Dan sie erschöpft. Die beiden Mädchen sahen ihn erstaunt an. Amy sah, dass er sich mit beiden Hände in die Bettdecke krallte – so fest, dass seine Handknöchel weiß durchschimmerten. »Mir ist dieser Kasten völlig egal«, stieß er hervor. »Lester ist tot. Er ist wegen diesem blöden Schmuckkästchen gestorben. Wenn es jetzt hier wäre, würde ich es zertrümmern.«
Tränen liefen ihm über die Wangen. »Ich würde die Schat ulle sofort hergeben, zusammen mit allen Hinweisen und die Million Dollar auch«, flüsterte er. »Wenn Lester dadurch wieder leben dig werden würde.«
Amy hatte ihn noch nie so elend erlebt. Sie stand auf und setzte sich zu ihm auf die Bettkante. Sanft löste sie seine Hände vom Bettlaken und nahm sie in ihre.
Lange Zeit herrschte Stille im Raum. Nur Dans Schluchzen war zu hören. Amy wartete, bis seine Tränen versiegten. Mit der freien Hand reichte sie ihm ein Taschentuch aus einer Schachtel auf dem Nachttisch. Sie widerstand dem Impuls, ihm die Nase zu putzen, denn sie war ziemlich sicher, dass ihm das nicht gefallen würde.
Dan wischte sich damit zuerst über die Augen und dann schnaubte er kräftig hinein. Es hörte sich an wie das Tröten eines Elefantenbabys.
Nellie begann leise zu kichern. Natürlich bereute sie ihre Reaktion sofort und tat, als müsse sie sich räuspern.
Dan putzte sich noch einmal die Nase und es klang wie das Tröten eines Elefantenbabys, das gerade gefoltert wurde.
Nellie konnte sich jetzt nicht mehr zurückhalten und prustete los. Amy wäre entsetzt gewesen, wenn sie nicht selbst so hätte lachen müssen. Dan sah beide einen Moment lang beleidigt an. Dann begann er am lautesten zu lachen.
Niemand von ihnen hätte erklären können, wie es zu diesem seltsamen Lachanfall kam. Sie hatten sich gerade beruhigt, da sah einer von ihnen die anderen beiden an und es begann von Neuem. Sie lachten so sehr, dass Dan erneut Tränen über die Wangen liefen und er wieder zum Taschentuch griff, wodurch noch einmal das gefolterte Elefantenbaby ertönte und sie natürlich noch heftiger lachen mussten. Amy legte die Hände über den Mund und versuchte vergeblich, den Anfall zu stoppen. Nellie schnappte sich sogar ein Kissen und vergrub ihr Gesicht darin. Doch nichts half. Erst als einige Zeit vergangen war, verebbte ihr Lachen zu einem Kichern und endete in Schweigen.
Gerade in diesem Moment kam die Nachtschwester herein. Sie füllte Dans Wasserbecher nach und schüttelte das Kissen auf. »Ihr solltet jetzt gehen«, meinte sie.
»Danke«, sagte Amy. Die Schwester hatte sie weit über die Besuchszeit hinaus bleiben lassen. Die Mädchen hatten beschlossen, dass Dan die eine Nacht im Krankenhaus sicher war. Nach allem, was passiert war, würden die Kabras jetzt erst einmal eine Weile Ruhe geben. Sie wollten zurück ins Hotel gehen und Dan am nächsten Morgen abholen.
An der Tür wandte sich Amy noch einmal um und ging zurück zum Bett.
Ihr Bruder sah aus, als würde er schon halb schlafen. Sie beugte sich hinab und gab ihm einen schnellen Kuss auf die Stirn. Sie hatte ihm schon lange keinen Kuss mehr gegeben. Er reagierte kaum, kuschelte sich nur tiefer in die Decken und schloss die Augen. Das bedeutete, dass er nichts dagegen hatte, soviel wusste Amy.
Neunzehntes Kapitel
»Es ist anders als bei Irina.«
Dans Stimme klang wie ein Flüstern vom Rücksitz des Wagens.
Der Arzt, der Dan am Morgen entlassen hatte, hatte ihnen versichert, er sei körperlich ganz in Ordnung,
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