Die 4 Frau
hatten nicht die Absicht gehabt, mich zu töten.
Der Gürtel war eine Warnung, die mich abschrecken sollte.
Ich fragte mich, warum sie sich eigentlich die Mühe machten.
Ich hatte den Mord an meinem John Doe nach wie vor nicht aufgeklärt, und nach zehn Jahren tappte ich noch genauso im Dunkeln wie damals.
Inzwischen liefen die Mörder unbehelligt weiter herum, und die Hüter des Gesetzes hatten immer noch nichts Konkreteres in der Hand als eine Reihe von höchst interessanten Fragen, auf die es keine Antworten gab.
Wir wussten nicht,
warum
.
Wir wussten nicht,
wer
.
Und wir wussten nicht,
wo
sie als Nächstes zuschlagen würden.
Abgesehen davon lief alles bestens.
124
Familien
– der Fluch der modernen Gesellschaft – der Ort, wo die verrotteten Strukturen der Ver gangenheit am Leben gehalten, kultiviert und verfeinert wurden. So sah es zumindest der Beobachter an jenem Abend.
Er öffnete die Tür zum Vorraum und betrat das rosa verputzte Haus hoch oben am Berg in der Cliff Road. Die Farleys waren ausgegangen, und so sicher fühlten sie sich in ihrem Kokon aus Wohlstand und Klassenprivilegien, dass sie nicht einmal die Tür abgeschlossen hatten.
Vom Vorraum aus gelangte man in eine verglaste Küche, die von den letzten Sonnenstrahlen in ein goldenes Licht getaucht wurde.
Das ist nur ein Aufklärungseinsatz
, sagte sich der Beobachter noch einmal.
Rein und wieder raus in weniger als fünf Minuten. Halt das Übliche
.
Er nahm die Kamera aus der Innentasche seiner weichen Lederjacke und schwenkte sie einmal im Kreis, um eine Serie von Digitalaufnahmen der vielen hohen Glasfenster zu machen. Die Abstände zwischen den Längsstreben waren so weit, dass man bequem hindurchschlüpfen konnte.
Sssst, sssst, sssst
.
Rasch ging er durch die Küche weiter in das Wohnzimmer der Farleys, das in den Hang auskragte. Der Wald war von einem bernsteinfarbenen Licht erfüllt, das der rauen Borke der Eukalyptusbäume ein fast menschliches Aussehen verlieh und sie wie alte Männer erscheinen ließ, die jede seiner Bewegungen beobachteten. Die ihn verstanden und guthießen, was er tat.
Nur ein Aufklärungseinsatz
, sagte er sich erneut. Die Lage war zu kompliziert, zu brenzlig, um weiter stur nach Plan vorzugehen.
Er eilte über die Hintertreppe nach oben ins Schlafgeschoss und merkte sich im Vorbeigehen, welche Stufen am lautesten knarrten, registrierte das stabile Geländer. Oben ging er den Flur entlang und stoppte an jeder offenen Tür, machte seine Fotos, prägte sich die Details ein. Eins nach dem anderen checkte er die Zimmer wie ein Cop, der einen Verdächtigen nach Waffen abtastet.
Der Beobachter sah auf seine Uhr, als er das Schlafzimmer betrat.
Knapp drei Minuten vorbei
. Rasch öffnete er die Schränke, schnupperte die exklusiven Düfte von Vera Wang und Hermès und klappte die Türen wieder zu.
Er lief die Treppe hinunter in die Küche und wollte schon hinausgehen, als er plötzlich an den Keller dachte. Es blieb noch genug Zeit für einen kurzen Blick.
Er öffnete die Tür und sprang die Stufen hinunter.
Zu seiner Linken befand sich ein geräumiger Weinkeller, vor ihm war die Waschküche. Aber sein Blick wurde von der Tür zu seiner Rechten angezogen.
Die Tür lag im Dunkeln, doch er sah, dass sie mit einem Kombinations-Vorhängeschloss gesichert war. Der Beobachter war gut im Knacken von Kombinationsschlössern. Er hatte halt geschickte Hände. Jetzt drehte er das Rädchen nach links, bis er einen ganz leichten Widerstand spürte, dann nach rechts und wieder ein Stück nach links. Das Schloss sprang auf, und der Beobachter entriegelte die Tür.
Im Halbdunkel des Kellers konnte er verschiedene Geräte ausmachen: einen Computer und einen Laserdrucker, dazu kartonweise hochwertiges Fotopapier. Video- und Digitalkameras mit Nachtsichtfunktion.
Und auf einer Ablage ein hoher Stapel Abzüge.
Er schlüpfte rasch hinein und machte die Tür hinter sich zu. Dann schaltete er das Licht ein.
Es war nur ein harmloser Aufklärungseinsatz, weiter nichts; einer von vielen
.
Aber was er sah, als das Licht aufleuchtete, brachte ihn fast um den Verstand.
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Es duftete verführerisch nach Tomatensauce, als ich auf das große viktorianische Gebäude zuging, in dem Carolees Schützlinge nicht nur lernten, sondern auch wohnten. Ich hielt die Hand über die Augen, um sie vor den letzten Sonnenstrahlen zu schützen, die in den zahlreichen Fenstern aufblitzten. Dann betätigte ich den massiven Türklopfer aus
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