Die 4 Kraefte der Selbstheilung
wir sehen uns schwierigen Aufgaben und Situationen gegenüber, die dringend eine Antwort erfordern. Berufliche Angelegenheiten müssen erledigt werden und dulden keinen Aufschub. Dann müssen wir uns vor uns selbst und anderen rechtfertigen und entschuldigen. Also drohen wir auch noch in eine belastende Stressvermeidungsspirale zu geraten.
Wenn wir uns vorschreiben, möglichst alles positiv zu sehen, erleben wir jeden negativen Gedanken als Rückfall und Misserfolg. Dadurch steigt der innere Erwartungsdruck weiter an und mit ihm der Erfolgszwang: Wir müssen doch im positiven Denken erfolgreich sein und darin, Stress zu vermeiden. Wir müssen das so lange üben und durchführen, bis wir uns endlich entspannen können, bis der Stress endlich nachlässt und wir positiv leben. Schaffen wir das nicht, so liegt das an uns selbst: Entweder waren wir zu bequem, oder wir haben einfach versagt, weil wir zu negativ sind.
Die Botschaft in diesem Buch ist: Um den Stress unseres Alltags bewältigen zu können und uns in ihm zu erhalten, brauchen wir vor allem mehr geistige Flexibilität und Achtsamkeit . Das ist viel hilfreicher und realistischer als bloße Positiv- oder Anti-Stress-Ratschläge und einseitige Wellness-Empfehlungen.
Bereits der Vater der Stressforschung Hans Selye hat das Gegensatzpaar Distress – Eustress vorgeschlagen. Die Vorsilbe »dis« kehrt in Worten wie Dissonanz oder Disharmonie wieder und bezeichnet einen unangenehmen Zustand. Die Vorsilbe »eu« hingegen bezeichnet einen angenehmen Zustand, wie etwa im Wort Euphorie.
Eine sportliche oder berufliche Herausforderung und Belastung kann durchaus positiv und produktiv erlebt werden. Stress bezeichnet also ganz allgemein einen erhöhten Arbeitsgrad, eine stärkere Aktivierung des Organismus. Der Mensch ist von Natur aus an Arbeit und Aktivierung interessiert; diese müssen jedoch seinen Fähigkeiten und auch seinen Erwartungen entsprechen.
Es wäre zu einfach, ganz allgemein Distress in Eustress verwandeln zu wollen. Natürlich besteht die Aufgabe darin, Signale von Distress rechtzeitig zu erkennen und Alternativen zu finden, denn negative Dauerbelastung und körperliche Anspannungen bilden ja in der Tat einen Risikofaktor für die Gesundheit. Wie ist das möglich, ohne dabei unter den Stress der Stressvermeidung zu geraten?
Stress ist nicht gleich Stress
Sowohl positives als auch negatives Denken sind situationsgerecht angezeigt. Auch Distress muss ertragen werden, wenn die Situation dies verlangt. Der Mensch ist dazu auch bis zu einem erheblichen Grad in der Lage, ohne zu erkranken. Der Grad der Belastung hängt dabei nicht nur von objektiven Faktoren und von vorgegebenen Tatsachen ab, sondern auch von den eigenen subjektiven Erwartungen und Vorstellungen.
Wenn wir im Büro viel Lob erwarten, wird die Enttäuschung nicht lange auf sich warten lassen.
Wenn wir den allmorgendlichen Verkehrsstau ignorieren und dann doch im Verkehr stecken bleiben, kommt unser Zeitmanagement ins Wanken, und wir kommen schließlich gestresst und mit Verspätung ans Ziel.
Ein möglicher Weg aus diesem Dilemma ist der Weg des indirekten und neutralen (nichtsuggestiven, mal positiven – mal negativen) inneren Dialogs mit uns selbst, mit unserer Mitwelt und mit dem eigenen Körper. Der Psychotherapeut und Psychoanalytiker Gottfried Fischer, Leiter des Instituts für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Köln, hat als Pionier in dieser Schule des Denkens damit die Möglichkeiten der mentalen Veränderung im Bereich der Psychotherapie bereichert.
Wechseln Sie die Perspektive
Dabei geht es letztlich um innere Flexibilität und Beweglichkeit. Damit kann man den Blickwinkel auch einmal wechseln und einen Schritt zurücktreten: Vieles zeigt sich dann auf den zweiten Blick anders. Aus Engwinkligkeit wird Weitwinkligkeit, und oft tun sich neue Möglichkeiten der Veränderung auf. Sehr hilfreich ist dabei die Fähigkeit, situationsgerecht zwischen negativen und positiven Aspekten einer gegebenen Lage gleichsam hin- und herpendeln zu können.
Wenn der Pessimist sagt, das Glas ist schon halb leer, und der Optimist, es ist noch halb voll, dann käme es einer Karikatur gleich, immer weiter und weiter nur den positiven Aspekt zu betonen und zu sagen, jetzt ist das Glas noch zu einem Drittel voll, jetzt zu einem Viertel. Den Blick umzuwenden, bedeutet häufig einen Wechsel vom quantitativen zum qualitativen Denken. Das könnte im erwähnten Beispiel heißen:
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