Die 5 Plage
tastete blind umher, bis ich das Schloss gefunden hatte und die Tür zu Garzas Haus öffnen konnte.
125
In der Tür blieb ich stehen und rief mit lauter Stimme: »Hier spricht die Polizei! Wir betreten jetzt das Haus.«
Wieder gab es keine Antwort, und das Haus fühlte sich auch leer an.
Jacobi und ich rückten durch die Diele in das Wohnzimmer vor, das jetzt nicht mehr so aussah, als wäre es den Hochglanzseiten eines Lifestyle-Magazins entsprungen. Ich ließ meinen Blick über die umgestürzten Möbel und die Unmengen von Blut schweifen, die im ganzen Raum verteilt waren.
»Ich leg mich jetzt mal fest«, meinte Jacobi, während er das Bild der Verwüstung mit zusammengekniffenen Augen betrachtete, »und sage, was immer hier passiert ist, war nicht das Werk von Profis.«
Je mehr Einzelheiten ich erfasste, desto trockener wurde mein Mund.
Die in blassen Farbtönen getünchten Wände waren mit Spritzern von arteriellem Blut bedeckt, das bis auf die Fußleisten herabgeflossen war. Auch die Decke war mit blutroten Mustern besprengt, und ein großer rotbrauner Fleck tränkte den Teppich vor dem Sofa. Blutige Fußspuren zogen sich kreuz und quer über den Boden, und der Kaminsims war mit Handabdrücken verschmiert.
Die Galle kam mir hoch, als ich mir die blinde Raserei und das blanke Entsetzen vorstellte, das dieses Zimmer noch vor Kurzem erfüllt haben musste. Wer war der Täter gewesen, wer das Opfer?
Ich stierte mit leerem Blick vor mich hin, bis Jacobi mich aus meiner Trance riss.
»Boxer. Komm, bringen wir’s hinter uns.«
Wir gaben uns gegenseitig Deckung, als wir die Zimmer im Erdgeschoss durchsuchten. Die Blutspuren an den Esszimmerwänden führten uns zum Spülbecken in der Küche, wo ein Fleischmesser mit zwanzig Zentimeter langer Klinge in einer Pfütze von wässrigem Blut lag.
Wir stiegen die Treppen zum ersten und zweiten Stock hinauf, sahen in jedem Zimmer nach, rissen die Türen der Wandschränke und Duschkabinen auf, schauten unter die Betten.
»Niemand. Nichts«, brummte Jacobi.
Das große Schlafzimmer war mit schweren Mahagonimöbeln eingerichtet; Teppich und Vorhänge in Marineblau, blassblaue Laken. Aber die Bettdecken waren abgezogen und aus dem Zimmer geschafft worden.
Wir steckten unsere Waffen ein und gingen wieder hinunter ins Wohnzimmer.
Da sah ich die schwere Kristallvase auf der Seite in der Kaminnische liegen.
»Jacobi. Komm mal her, und sieh dir das an.«
Er durchquerte den Raum mit schweren Schritten, stützte die Hände auf die Knie und begutachtete die Vase.
»Braucht wahrscheinlich nicht viel Kraft, um einen mit dem Ding umzuhauen. Das muss ein ziemliches Loch im Schädel gegeben haben«, meinte er.
»Sieh mal hier«, sagte ich, und es überlief mich kalt, als ich auf die Haare deutete, die an dem blutverschmierten, gezackten Rand der Vase klebten. Sie waren schwarz und sieben oder acht Zentimeter lang. Das Labor würde Tage brauchen, um zu bestätigen, was ich bereits wusste.
»Jacobi - das sind Dennis Garzas Haare.«
126
Kreischende Sirenen kamen die Leavenworth hinauf, und ihr anund abschwellendes Heulen wurde lauter, als die Streifenwagen in die Filbert einbogen.
»Ich bin draußen«, sagte Jacobi.
Wir waren erst ein paar Minuten hier, aber ich hatte das Gefühl, dass uns die Zeit davonlief. Ich wählte eine Stelle in der Diele, von der aus ich das ganze Wohnzimmer überblicken konnte, und ließ den Tatort noch einmal auf mich wirken, versuchte, einen Sinn in dem Chaos zu entdecken, das ich vor mir sah.
Nach einem missglückten Raubüberfall sah es nicht aus. Die Türen waren alle verschlossen, und der einzige Hinweis auf ein gewaltsames Eindringen war die von Jacobi zertrümmerte Haustür.
Ich stellte mir vor, dass jemand an der Tür geklingelt hatte, so wie wir es getan hatten, und dass Garza eine Person, die er kannte, ins Haus gelassen hatte. Aber wer war es?
Der umgekippte Clubsessel, die zerbrochene Lampe, die auf dem Boden verstreuten Gegenstände erweckten in mir den Eindruck eines Streits, der in Handgreiflichkeiten ausgeartet und schließlich zu einer Gewaltorgie eskaliert war.
Ich stellte mir vor, wie dieser unbekannte Angreifer Garza mit der Vase einen Schlag auf den Kopf versetzte, wie Garzas Schädel barst und die Wunde blutete, wie nur eine Kopfverletzung bluten kann.
Ich sah Garza vor dem Kamin zusammenbrechen und sich an der kunstvoll geschnitzten Holzeinfassung hochziehen. Der Angreifer musste in Panik geraten sein, als er sah, dass
Weitere Kostenlose Bücher