Die 5 Plage
geschröpft. Wie konnte es sein, dass sie und Garza etwas miteinander hatten?
Ich hätte gerne Jacobis Miene gesehen, aber ich konnte die Augen nicht von Sonja Engstrom losreißen.
»Sie scheinen überrascht, Lieutenant. Das wussten Sie noch nicht, oder?«, sagte Engstrom. »Ich habe auch eine Weile gebraucht, bis ich es kapiert hatte. Ein seltsames Pärchen, finden Sie nicht? - Dennis Garza und Maureen O’Mara.« Sie schnaubte, ein kleines, selbstironisches Lachen. »Welche Möglichkeiten sich da auftun.«
123
Als ich mit Jacobi das Krankenhaus verließ, sprangen meine Gedanken wild hin und her.
Garza und Engstrom.
Garza und O’Mara.
Welche Möglichkeiten sich da auftun .
Wir stiegen ein, und Jacobi ließ den Motor an. Ich spürte dieses elektrisierende Kribbeln, das einen überkommt, wenn man so dicht an einem ganz großen Ding dran ist. So ähnlich, wie wenn man bei einem Live-Konzert plötzlich den Drang verspürt, selbst auf die Bühne zu springen und sich das Mikro zu schnappen.
Nur noch viel besser.
»Cindy war im Gerichtssaal, als Garza im Zeugenstand saß«, klärte ich Jacobi auf. »O’Mara fragte Garza, ob er etwas mit dem Tod der Angehörigen der Kläger zu tun habe. Und jetzt halt dich fest: Garza verweigerte die Aussage.«
»Das ergibt doch keinen Sinn«, meinte Jacobi, während er den Wagen auf die Leavenworth lenkte. »Garza war doch gar nicht angeklagt.«
»Genau. Und Cindys Reaktion war: ›Mensch, der Typ hat irgendwas zu verbergen.‹ Sie meinte, das war der Wendepunkt des ganzen Prozesses, als er mit diesem Satz rausgeplatzt ist. Er hat die ganze Verteidigung des Krankenhauses zunichtegemacht.«
»Also hat O’Mara ihn in die Falle gelockt? Und ihn einfach hängenlassen? Oder ist das Ganze auf seinem eigenen Mist gewachsen?«
»Interessante Frage, Jacobi. Ich frage mich, wer hier wen hängenlässt. Garzas zwei Freundinnen waren beide in den Prozess gegen das Municipal verwickelt.«
Ich hielt mich am Armaturenbrett fest, als Jacobi scharf rechts in die Filbert Street abbog.
»Es ist alles da, aber ich sehe noch nicht so recht den großen Zusammenhang. Wenn Garza alle diese Leute umgebracht hat, wo ist dann die Verbindung?«
Jacobi parkte vor Garzas cremegelb verputztem Haus und stellte den Motor ab.
»Fragen wir doch einfach den Doktor«, sagte er.
124
Ächzend hievte Jacobi sich aus dem Fahrersitz des Einsatzwagens. Auf dem Gehsteig trat ich neben ihn, und wir schirmten unsere Augen gegen die Sonne ab, als wir zu Garzas schmuckem dreigeschossigen Haus aufblickten, mit seiner großen Veranda und dem gemähten Rasen zu beiden Seiten eines Gartenwegs aus Steinplatten.
Ich dachte über Garza nach und fragte mich gerade, ob ihn vielleicht irgendeine Beziehung mit einer haitianischen Krankenschwester namens Marie St. Germaine verband, als Jacobi sich auf dem Gartenpfad plötzlich bückte und sagte: »Siehst du das, Boxer?«
Er zeigte mir die Blutstropfen auf den Platten - der Anfang einer Spur, die sich den ganzen Weg entlangzog, über die Stufen bis auf die lackierten Bodenbretter der Veranda. Auch der glänzende Messing-Türknauf war mit leuchtend rotem Blut verschmiert.
»Das ist frisch«, brummte Jacobi.
Ich vergaß sofort die Fragen an Garza, die ich mir im Kopf schon zurechtgelegt hatte.
Was um alles in der Welt war hier passiert?
Ich drückte auf den Klingelknopf und zog meine Waffe. Jacobi tat es mir gleich.
Ein Glockenspiel ertönte, und die Sekunden dehnten sich, während wir auf das Geräusch von Schritten im Haus warteten. Aber niemand kam, um uns zu öffnen.
Ich hämmerte mit der Faust an die Tür.
»Aufmachen! Polizei!«
»Ich behaupte jetzt einfach mal, dass hier ›ernste Umstände‹ vorliegen«, sagte ich zu Jacobi. Es war ein Grenzfall. Ohne Durchsuchungs- oder Haftbefehl dürfen wir ein Haus nur betreten, wenn ein Menschenleben in Gefahr ist.
Es war nicht viel Blut zu sehen. Vielleicht hatte sich nur jemand in den Finger geschnitten, aber ich hatte das überwältigende Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte. Dass wir auf der Stelle in das Haus eindringen mussten.
Ich zog das Handy aus dem Gürtelclip und forderte Verstärkung an.
Jacobi nickte, blickte sich auf der Veranda um und entschied sich für einen Blumenkübel aus Beton von der Größe eines Kopfkissens. Er kippte die Geranien über das Geländer und schlug mit dem zum Rammbock umfunktionierten Blumenkübel einen Teil der eichenen Haustür ein.
Ich griff durch das zersplitterte Holz und
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