Die 5 Plage
und während sie die Treppen erklomm, deckte ich den Tisch für zwei und nahm Biergläser aus dem Schrank.
Eine Minute später kam Yuki keuchend und schnaufend wie ein Mini-Hurrikan in meine Wohnung gestürmt.
»Ooh, das sieht ja super aus!«, rief ich, während ich ihre platinfarbene Stirnlocke bewunderte. Vor ein paar Tagen war sie noch pink gewesen.
»Das sind schon zwei Ja-Stimmen«, sagte sie und ließ sich in einen Sessel fallen. »Meine Mom hat gesagt: ›Mit der Frisur du siehst aus wie Stewardess .‹« Yuki lachte. »Na ja, das ist der eine Traum, den sie nie verwirklicht hat. Sag mal, was riecht denn da so gut, Lindsay?«
»Pot-au-feu à la Boxer«, erklärte ich. »Keine Widerrede - ich habe genug für zwei gekocht.«
»Wieso Widerrede? Du weißt wohl nicht, wie sorgfältig ich diesen rein zufälligen Überraschungsbesuch getimt habe.«
Ich lachte. Wir stießen mit unseren Biergläsern an und sagten beide gleichzeitig: »Auf uns!« Und dann servierte ich das Essen. Fast hätte ich Yuki von meinem Kummer erzählt, aber so sehr ich mich auch anstrengte, mir fiel einfach nichts mehr ein, worüber ich hätte jammern können.
Bei köstlichem Schoko-Chip-Eis und frisch gebrühtem koffeinfreiem Kaffee berichtete Yuki mir das Neueste von Keikos Gesundheitszustand.
»Die Ärzte waren anfangs besorgt, weil sie eigentlich viel zu jung ist für eine TIA«, erzählte sie. »Aber inzwischen haben sie eine ganze Batterie von Tests mit ihr gemacht und sie aus der Intensivstation in ein Einzelzimmer verlegt!«
»Und wann kannst du sie heimholen?«
»Morgen früh. Sobald ihr persönlicher Lebensretter, Dr. Pierce, ihre Entlassungspapiere unterschrieben hat. Und dann mache ich mit ihr erst mal eine einwöchige Kreuzfahrt auf diesem Riesendampfer, der Pacific Princess . Ich weiß, ich weiß, das klingt total spießig«, sagte Yuki, deren Hände nie stillstanden, wenn sie redete, »aber so ein schwimmendes Hotel mit Casino und Wellnessbereich ist genau das, was der Arzt ihr verschrieben hat. Und ehrlich gesagt, ich kann auch ein paar Tage Urlaub gebrauchen.«
»Mann, ich platze vor Neid«, sagte ich, während ich den Löffel hinlegte und Yuki anstrahlte.
Und das meinte ich todernst.
In Gedanken sah ich mich selbst auf einer solchen Seereise. Ein Stapel guter Bücher, ein bequemer Liegestuhl, und nachts das sanfte Spiel der Wellen, die mich in den Schlaf wiegten. Mich - und natürlich Joe.
Keine Besprechungen. Keine ungelösten Mordfälle. Kein Stress.
»Ihr seid wirklich zwei Glückspilze, du und deine Mom«, sagte ich.
31
Yuki war auf dem Heimweg von Lindsay und fuhr gerade von der Eighteenth Street auf die I-280, als aus den Tiefen ihrer Handtasche, die vor dem Beifahrersitz auf dem Boden lag, der melodische Klingelton ihres Handys an ihr Ohr drang.
»Mist. Als hätte ich’s geahnt.«
Sie steuerte die rechte Spur des Highways an und fischte mit der rechten Hand blind nach ihrer Handtasche, während sie mit der Linken das Lenkrad hielt.
Ein dicker bronzefarbener Jeep hupte sie wütend an, während sie Zeitschriften, ihr Schminkset und das Portemonnaie aus der geräumigen Tasche angelte und auf den Boden warf.
»Sorry, sorry«, murmelte sie. Beim dritten Läuten bekam sie ihr Handy endlich zu fassen.
»Mom?«, meldete sie sich.
»Ms. Castellano?«
Yuki erkannte die Stimme des Mannes nicht. Sie lenkte mit dem Ellbogen, während sie die Fenster hochfuhr und das Radio ausschaltete, um besser hören zu können.
»Ja, hier ist Yuki.«
»Hier spricht Andrew Pierce.«
Yuki brauchte eine Weile, bis sie den Namen mit der passenden Person in Verbindung gebracht hatte. Es war Dr. Pierce. Ihr Magen drehte sich um. Dr. Pierce hatte sie noch nie angerufen - wieso jetzt?
»Dr. Pierce. Was gibt es?«
Seine Stimme drang dünn und blechern aus dem Handy, sie ging fast unter im Tosen des Verkehrs. Yuki presste das Telefon noch fester ans Ohr.
»Ihrer Mutter geht es nicht besonders gut, Yuki. Ich bin gerade auf dem Weg ins Krankenhaus.«
»Wie meinen Sie das? Was ist passiert? Sie sagten doch, es sei alles in Ordnung mit ihr!«
Yukis Augen waren starr auf die Straße vor ihr gerichtet, aber sie sah nichts.
»Sie hatte einen Schlaganfall«, sagte Dr. Pierce.
»Einen Schlaganfall ? Ich verstehe nicht.«
»Sie lässt sich nicht so leicht unterkriegen«, fuhr Dr. Pierce fort. »Können wir uns im Krankenhaus treffen?«
»Ja, ja, natürlich. Ich bin in höchstens zehn Minuten dort.«
»Gut. Ihre Mutter liegt auf
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