Die 6. Geisel - Thriller
Hosenbeine bis zu den Knien hochziehen.«
»Hübsche Beine für einen Kerl«, sagte Conklin über das Dach des Wagens hinweg zu mir. »Und nun holen wir ihn da raus.«
Ich nickte und dachte dabei: Wenn seine Frau jetzt die Treppe herunterstürmt, kann sie ihn durch die offene Tür abknallen.
Ich sagte Renfrew, er solle die Hosenbeine wieder fallen lassen, ganz herauskommen und sich dicht an die Hauswand drücken.
»Wenn Sie tun, was ich sage, kann sie Sie nicht ins Visier kriegen«, sagte ich. »Legen Sie beide Hände an die Wand und lassen Sie sie dort. Dann gehen Sie so bis zur Südecke des Hauses. Legen Sie sich hin und verschränken Sie die Hände im Nacken.«
Sobald Renfrew am Boden lag, fuhr ein schwarzer Chevrolet Suburban auf den Rasen vor dem Haus. Zwei FBI-Agenten sprangen heraus, legten Renfrew Handschellen an und tasteten ihn ab.
Sie verstauten ihn gerade auf dem Rücksitz ihres Fahrzeugs, als ich im Obergeschoss des Hauses mit dem Giebeldach Glas splittern hörte. Ach du Scheiße.
Das Gesicht einer Frau tauchte am Fenster auf.
Sie hatte eine Pistole in der Hand und drückte die Mündung an die Schläfe eines kleinen Mädchens, das mit großen Augen und offenem Mund ins Leere starrte.
Das kleine Mädchen war Madison Tyler.
Die Frau, die sie in ihrer Gewalt hatte, war Tina Langer alias Laura Renfrew, und sie sah aus wie eine Mörderin. Ihr Gesicht war wutverzerrt, aber ich entdeckte keine Spur von Angst.
»Der letzte Akt ist immer der spannendste, nicht wahr, Sergeant Boxer?«, rief sie durchs Fenster. »Ich verlange sicheres Geleit. Und zwar für mich und Madison. Dieser Helikopter ist schon mal ein guter Anfang. Am besten rufen Sie gleich mal den Piloten an. Er soll auf dem Rasen landen. Los, tun Sie, was ich sage. Sofort!
Ach, übrigens, wenn irgendjemand mir zu nahe kommt, erschieße ich dieses kleine …«
Ich sah das schwarze Loch, das plötzlich auf ihrer Stirn erschien, noch bevor der Widerhall des trockenen Knalls von dem Dach auf der anderen Straßenseite an meine Ohren drang.
Madison schrie auf, während die Frau, die sich Laura Renfrew nannte, reglos wie eine Statue im Fenster stand.
Erst im Fallen ließ sie das kleine Mädchen los.
114
Ist Madison Tyler wohlauf? Das war mein einziger Gedanke, als ich mit Conklin in das vordere Schlafzimmer im ersten Stock stürmte. Doch von dem Mädchen war nichts zu sehen.
»Madison?«, rief ich mit schriller Stimme.
An der Wand neben der Tür stand ein ungemachtes Bett. Darauf lag ein geöffneter Koffer, in den jemand hastig ein paar Mädchenkleider geworden hatte.
»Wo bist du, Schatz?«, rief Rich, während wir auf den Wandschrank zugingen. »Wir sind von der Polizei.«
Wir erreichten den Schrank gleichzeitig. »Madison, es ist alles okay, Schätzchen«, sagte ich, während ich den Türknauf drehte. »Niemand wird dir etwas tun.«
Ich öffnete die Tür und erblickte einen Haufen Kleider am Boden des Wandschranks. Ein rhythmisches Auf und Ab verriet, dass darunter jemand atmete.
Ich beugte mich herab, immer noch voller Angst vor dem, was ich dort finden könnte. »Madison«, sagte ich, »ich heiße Lindsay und bin Polizistin. Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu bringen.«
Ich schaufelte den Berg Kleider zur Seite, bis ich das kleine Mädchen gefunden hatte. Sie kauerte mit geschlossenen Augen am Boden und schaukelte leise wimmernd vor und zurück.
Gott sei Dank! Es war Madison.
»Es ist alles in Ordnung, Schatz«, sagte ich mit zitternder Stimme. »Alles wird gut.«
Madison schlug die Augen auf, und ich streckte die Arme nach ihr aus. Sie warf sich an meine Brust, und ich hielt sie ganz fest, schmiegte die Wange an ihr Haar.
Dann nahm ich mein Handy vom Gürtel und wählte eine Nummer, die ich inzwischen auswendig kannte. Meine Hände
zitterten so sehr, dass ich noch einmal von vorn anfangen musste.
Schon beim zweiten Läuten wurde am anderen Ende abgehoben.
»Mrs. Tyler, hier sind Lindsay Boxer und Inspector Conklin. Wir haben Madison.« Ich hielt Madison den Hörer hin und flüsterte: »Sag was zu deiner Mom.«
115
Am frühen Abend desselben Tages saßen Conklin und ich zusammen mit fünfzehn Agenten und anderen Cops in der FBI-Zentrale in der Golden Gate Avenue, oben im dreizehnten Stock. Auf Monitoren verfolgten wir dort Renfrews Vernehmung durch Dave Stanford und seine Partnerin Heather Thomson.
Ich saß neben Conklin und hörte mir an, wie Stanford und Thomson die Verbrechen sezierten, die Paul Renfrew begangen
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