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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Gerichtssaal vortragen würden. Übernatürliches gibt es. Auf unserer Fahrt nach Zürich waren Sebastian und ich uns einig, dass die Zeit in Wirklichkeit nicht existiere, wir waren in diesem Punkt mit Herrn Lundin einer Meinung gewesen; dass die Zeit mit ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft lediglich die trügerische Wahrnehmung desjenigen sei, der sich in ihr bewege; dass jedoch, von einer höheren Dimension aus betrachtet, nur allgemeine Gegenwart, also eine alles umfassende Gleichzeitigkeit herrsche (ich hätte Staff Sergeant Winship danach fragen sollen; wenn er sich mit dem Gott unterhalten hatte, waren sie unter Umständen auch auf dieses Thema zu sprechen gekommen; das habe ich leider versäumt). Kann sein, dass ich vor lauter Langeweile in diese höhere Dimension gerutscht bin und gehört habe, was in einer niedrigeren erst in der Zukunft gesagt werden wird. Bei seinen weiteren Besuchen in meiner Zelle habe ich Dr. Wyss nicht mehr zugehört. Ich konnte nicht! Ich hab’s einfach nicht fertiggebracht; auch nicht, als er sagte, es gehe um Leben und Tod, und ich ja wusste, er meinte mein Leben und meinen Tod.
    Er erinnerte mich an Herrn Dr. Martin, auch an den Pater Präfekt erinnerte er mich; und wenn ich es recht überlegte, ein wenig auch an Herrn Lundin und in gewisser Weise an Major Hajós – ich habe an anderer Stelle darauf hingewiesen: das waren alles Männer, die vor mir angeben wollten. Solche sind mir in meinem Leben immer wieder begegnet, auch Frauen; und bei allen erging es mir ebenso: Ich konnte ihnen nicht zuhören, ich hab’s nicht fertiggebracht. Auch bei Frau Lundin hatte ich mich ähnlich gefühlt – in etwas hineingezogen nämlich, was angeblich das Meine sei, ganz sicher aber nicht das Meine war. Ich weiß schon, was ›angeben‹ bedeutet: Man will sich größer machen als der andere. Das ist die normale Angeberei, und sie benötigt Zuschauer und Zuhörer: ›Seht her, ich bin größer als der!‹ Die Angeberei, von der ich hier spreche, kann sich hingegen erst entfalten, nachdem alle anderen gegangen sind. Sie sagt: ›Sieh her, ich bin fast so groß wie du.‹ Und wissen Sie, was das Entsetzliche daran ist? Das ›fast‹. Es soll nämlich beteuern: ›Ich werde nie so groß sein wie du und will es auch gar nicht.‹ Aber: ›Ich bin größer als die anderen. Deshalb nimm mich als den Deinen auf!‹ Und ich sehe mich als Zwangsmitglied in einem Club, der nur meinetwegen gegründet, nur meinetwegen geheim gehalten, dessen Mitgliedschaft nur meinetwegen als ein hohes Privileg betrachtet wird; und dessen Präsident unangefragt ich bin. Vor solchen Menschen ekelt mir, vor ihrer untadelig selbstlosen und dabei so selbstgefälligen Art! Ihre Hingabe bestürzt mich! Und was sich in ihrer Iris spiegelt, wenn sie mich ansehen, davor ekelt mir noch mehr. Ich bin ein hundsprimitiver Mensch – hört! –, von dem nichts erwartet werden darf; dessen Schweigen nichts weiter bedeutet, als dass er nichts zu sagen hat; der nichts weiß und nichts wissen will; der wenig fühlt und wenig fühlen will; dessen Gesichtsausdruck nicht interessant ist, schon gar nicht, wenn er nicht zuhört! Die Sommersprossen unter meiner Nase lassen auf vermehrte Melaninproduktion meiner Pigmentzellen schließen und sonst auf nichts.
    Dr. Wyss hat sich später für die Art, wie er vor Gericht meine Verteidigung geführt habe, geschämt. Bereits wenige Tage nach dem Prozess hat er sich selbst öffentlich dafür getadelt. Und hat mich denunziert. Hat herumerzählt, ich hätte »einen teuflischen Einfluss auf ihn ausgeübt«, dem er sich »nur mit Mühe entziehen konnte« – wie er in einem Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung zitiert wurde (Wochenendausgabe vom 18. März 1967 , Titel: »Herrn Urians Prozess«). Also dass ich es gewesen sei, der ihm die Wörter im Kopf verdreht, ich, der ihm diese bösartige Strategie ins Hirn eingepflanzt habe! Das allerdings kann ich ausschließen. Ich habe niemals Bebe etwas Böses gewünscht. Ich habe nie im Leben jemandem etwas Böses gewünscht. (Auch nicht Ernie Terrell, der ausgerechnet in der Nacht vor der Urteilsverkündung gegen meinen Liebling Mohammad Ali boxte und ihn, um ihn zu verspotten, bei jedem Schlagversuch mit seinem Geburtsnamen »Cassius Clay« anrief, weswegen Ali die volle Zeit von fünfzehn Runden ausnützte und ihn absichtlich nicht k.o. schlug, damit er länger leide. Der Kampf fand in Texas statt und wurde live im Fernsehen übertragen; ich durfte ihn

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