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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Oben stand: REISEPASS . REPUBLIK ÖSTERREICH . In der Mitte prangte der Wappenadler der Republik mit den gesprengten Ketten an seinen Klauen, und in den Klauen hielt er Hammer und Sichel. Darunter stand: PASSEPORT . REPUBLIQUE D’ AUTRICHE . Und: PASSPORT . REPUBLIC OF AUSTRIA . Innen war er mit Stempelmarken und meinem Foto versehen und vom Bezirksamt Aldergrund abgestempelt.
     

2
     
    Hemma wohnte in einer schönen und komfortablen Drei-Zimmer-Altbauwohnung in der Nähe vom Volkstheater. Die Wohnung gehörte ihren Eltern, sie war mit alten Möbeln eingerichtet und roch nach altmodischer Seife. Besonders gut gefiel mir die Küche. Sie war geräumig, zwei Sofas standen hier übers Eck, ein Esstisch für sechs Personen und in der Mitte ein Herd, der mich an unseren Herd in Feldkirch erinnerte. Ich hatte große Lust zu kochen. Wir gingen zusammen zum Naschmarkt, kauften Gemüse und Fleisch ein, indischen Reis und Gewürze, und ich phantasierte ein Menü zusammen, während Rudi noch schnell mit Hemmas Auto ein paar Flaschen vom guten Messwein aus der Sakristei der Alserkirche holte und Hemma sich in Richtung Innenstadt um den Nachtisch kümmerte. Sie sei ein bisschen kleptomanisch veranlagt, gurrte sie und zog die Wangen vamphaft ein. Sie brachte eine Palette voll leckerer Törtchen mit – aus dem Café Imperial . Dort würden ohnehin nur die Großkotzigen verkehren, und von Hochwürden Rudolf Martin Maria Jungwirth habe sie gelernt, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Großkotz in das Reich Gottes gelange; also könnten die ruhig etwas von ihrem Zuckerwerk abgeben, sie würden schlanker werden und passten am Ende doch noch durch des Nadelöhr. Sie trug eine Bluse, deren Muster Eidechsenhaut imitierte. Ich sagte, das Imperial sei das Lieblingshotel von Adolf Hitler gewesen. Sie küsste mich für dieses weitere überzeugende Argument und öffnete dabei ein wenig ihre Lippen. Aber ich nicht meine. Auch, weil ich Rudi an der Tür hörte.
    Nach dem Essen, das gelobt wurde, drehte Rudi einen karottengroßen Joint. Es war das erste Mal, dass ich Marihuana rauchte. Die beiden waren entzückt von meinem Unwissen. Zuerst spürte ich nichts, nur ein Brennen in der Brust, weil ich, Hemmas Anweisung folgend, den Rauch so lange in den Lungen behielt, bis nichts mehr zum Mund herauskam. Als zweites fiel mir auf, dass mir süßer Kuchen nie so gut geschmeckt hatte. Hemma sagte, das sei nur eine der Sinneserweiterungen, die Marihuana zu bieten habe. Ich fragte Rudi, wie er an den Stoff gekommen sei.
    »Ablass der Sünden«, sagte Hemma.
    »Etwas in dieser Art«, sagte er.
    » Eine Art katholischer Dealer«, äffte sie ihn nach.
    » Eine Art reuiger Sünder«, äffte er sich selbst nach.
    » Eine Art dankbarer Christ.«
    »Ein auf seine Art guter Mensch.«
    »Mit einem verdammt schlechten Ruf.«
    »Ich verstehe euch nicht«, rief ich. »Sagt es mir oder sagt es mir nicht, aber haltet mich nicht zum Narren!«
    Eben so ein Typ, rückte Rudi heraus, pro forma Student, seit einem Jahr an der Nadel, der arme Wurm, der sich halt auch irgendwie über Wasser zu halten versuche in diesem gierig schlingenden schluckenden Meer. Der ärmste von Jesu Brüder sei er – und so weiter. Ich hatte vom Italiano eine Ahnung mitgekriegt, was einer in diesem Geschäft verdienen konnte, wenn er auf Zack war.
    Hemma sagte, sie müsse aufs Klo und sich übergeben, und zu mir sagte sie, das sei völlig normal, so wirke Marihuana eben bei Frauen während der Periode. Als wir allein waren, sagte ich zu Rudi, das Kraut schmecke mir sehr gut, bestimmt würde es mich erleuchten, ob er mich mit dem Typen zusammenbringen wolle, ich würde ihm ebenfalls gern unter die Arme greifen.
    Rudi klemmte die Tüte zwischen den kleinen Finger und den Ringfinger, formte mit beiden Händen einen Hohlraum, sog den Rauch ohne Zwischenhalt im Mund direkt in die Lunge und schaute mich aus einem Auge streng an, während er die Luft anhielt und das Auge sich allmählich mit Wasser füllte. Schließlich sagte er, die Stimme tief in der Kehle: »Wenn du zwischendurch etwas Gutes haben willst, wende dich an mich , Joel. An mich !«
    »Ist es gut, wenn mein Beichtvater zugleich mein Dealer ist?«, gab ich zu bedenken.
    »Ich bin nicht dein Beichtvater«, sagte er, und Hemma, die gerade vom Klo zurückkam, sagte: »Er ist auch nicht mein Beichtvater, Joel, er meint es nicht persönlich«, und Rudi sagte zu mir: »Ich bin auch nicht Hemmas Beichtvater, nein, das bin

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