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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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verflüssigte und kochte, und zog die Spritze durch einen Filter auf.
    »Hast du etwas von deinem Whisky?«, fragte ich das Arschloch.
    Er nickte, legte das Mädchen vor mich auf den schmutzigen Fußboden nieder, griff hinter einen Lautsprecher und reichte mir eine Flasche Four Roses .
    »Ein Tempotaschentuch!«
    »Hab ich nicht.«
    »Klopapier!«
    Er brachte mir eine Rolle. Ich schüttete Whisky über das Papier und rieb ihr damit die Unterarme ab, versuchte auch, ihr etwas von dem Schnaps einzuflößen. Die Unterarme waren gepunktet von Einstichen, wie ein Reißverschluss sah das aus, verkrustet, eitrig, entzündet. Ich öffnete ihren Mund, indem ich ihr mit Zeigefinger und Daumen die Wangen zusammendrückte, und blies ihr meine Luft in die Lungen und presste ihr mit Kraft und mit beiden Händen stoßweise gegen die Rippen. Ich rieb und klatschte die Haut an ihrem Hals, bis ich meinte, die Schlagader zu sehen. Ich stach ihr die Nadel in die Carotis und drückte langsam den Kolben nieder. Ihre Brust bäumte sich auf, ihre Hände zitterten, ihre Arme und Beine zuckten und schlugen aus, und langsam kam sie zu sich. Sie stützte sich auf die Ellbogen und kotzte mir über das Hosenbein.
    »Wir müssen einen Arzt rufen«, sagte ich.
    Das wollte das Arschloch unter keinen Umständen.
    »Ich bring sie ins AKH«, sagte ich.
    »Aber warum denn? Sie ist da. Schau, sie ist ja wieder da! Wir bringen sie raus und setzen sie vorne im Arne-Carlsson-Park auf eine Bank. Die wird schon, die ist zäh. Ich kenn sie. Du kannst dir nicht vorstellen, wie zäh die ist! Dort ist sie an der frischen Luft, das ist hundertmal besser als in dem Scheiß-AKH. Du hast das unheimlich super hingekriegt, ich hätte das nicht gekonnt, ich geb dir alles Gift dafür, das vergesse ich dir nie! Da kriegst du saftige Zehntausend dafür. Sie ist eh da, schau, sie ist da! He, du! Was lieferst du für einen Scheiß ab, Mensch! Komm, lach! Lach doch! Lachen ist gesund! Lach! Lacht sie? Sie lacht eh.«
    Sie hatte die Augen aufgeschlagen und starrte vor sich hin und hechelte und würgte.
    »Wie heißt sie?«, fragte ich.
    »Janna«, sagte er. »Janna heißt sie.«
    Kann sein, ich erkannte sie erst jetzt, kann sein, ich hatte sie gleich erkannt – an den breiten Schneidezähnen, bestimmt auch daran; oder an dem Blick, den sie damals, sie war sechs oder sieben gewesen, in meine Richtung geschickt hatte, ehe sie um die Ecke der Garage davongelaufen war in ihrem braunen Wollrock; der Blick, der nun der gleiche war, voll unwissender Neugier. Sie war keine sehr hübsche Frau geworden, das tat mir leid. Sie hob langsam die Hand und wischte sich die Kotze und den Speichel vom Mund.
    »Siehst du, sie ist völlig Okay«, sagte das Arschloch.
    »Janna – wie weiter?«, fragte ich.
    »Lundin. Janna Lundin heißt sie.«
    »Woher kennst du ihren Familiennamen? Kennst du sie näher? Warum kennst du sie näher? Lüg mich nicht an! Hast du etwas mit ihr?«
    »Ich? Nie! Niemals! Bin ich verrückt?« Er nahm keine Rücksicht darauf, ob sie uns zuhörte oder nicht. »Ich hab sie einmal gefickt, da habe ich nicht gewusst, dass sie verrückt ist. Jetzt weiß ich es. Sie ist eine Verrückte! Schau sie an! Ich hab nichts mit einer Verrückten! Ich ficke keine Verrückten, Menschenskind! Schau dir an, wie sie tätowiert ist! Die ist verrückt nach Nadeln …«
    »Und als du etwas mit ihr gehabt hast, war sie nicht tätowiert?« Ich nahm auch keine Rücksicht.
    »Was redest du da! Klar, sie war tätowiert.«
    Ich schlug ihm die Faust in den Magen, und er sackte zusammen, ich trat ihn mit dem Stiefel gegen die Schläfe, und er jammerte, er stützte sich mit der Hand am Boden auf, wollte aufstehen, ich brach ihm mit dem Absatz die Finger. Das tat ich, damit er es sich merkte. Und ich tat es, weil Janna der Mensch war, für den ich Sorge tragen sollte. Ich hob sie hoch und trug sie hinunter auf die Straße und trug sie zwischen den Autos hindurch über die Straße zur Telefonzelle, dort setzte ich sie auf dem Asphalt ab, lehnte ihren Rücken an die Zelle und rief die Rettung an, atemlos vor Anstrengung. Ich zog sie wieder auf die Beine, stellte mich hinter sie, hielt sie unter den Armen umschlungen und ging mit ihr auf und ab, das heißt, ich schob ihre Beine vor mir her und sagte, sie solle reden, irgendetwas solle sie reden, oder sie solle singen oder einfach nur Ahhh sagen. Ich sprach mit ihr und senkte dabei meine Stimme, weil das beruhigend klingt. Ich versprach ihr, dass sie es

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