Die Abenteuer des Sherlock Holmes Bd.1
McCarthy zu bestärken schien.
Es wurde spät, ehe Sherlock Holmes zurückkehrte. Er kam allein, Lestrade hatte sich ein Zimmer in der Stadt genommen.
»Das Barometer steht unverändert sehr hoch«, bemerkte er, während er sich hinsetzte. »Es ist wichtig, daß es nicht regnet, ehe wir die Wiese in Augenschein genommen haben. Andererseits sollte ein Mann in der besten Verfassung sein, wenn er an eine so heikle Arbeit geht, und ich möchte sie nicht antreten, wenn ich durch eine lange Reise ermattet bin. Ich habe den jungen McCarthy getroffen.«
»Und was haben Sie von ihm erfahren?«
»Nichts.«
»Hat er kein Licht in die Angelegenheit bringen können?«
»Überhaupt keins. Einmal war ich kurz geneigt anzunehmen, er wisse, wer es getan hat, und schützte ihn oder sie. Aber jetzt bin ich davon überzeugt, daß er wie alle vor einem Rätsel steht. Er ist kein sehr aufgeweckter Junge, doch angenehm anzusehen und, glaube ich, von Herzen gut.«
»Seinen Geschmack kann ich nicht bewundern«, bemerkte ich, »wenn es tatsächlich stimmt, daß er gegen eine Heirat mit einer so bezaubernden jungen Dame wie dieser Miss Turner war.«
»Ach, daran hängt eine ziemlich schmerzliche Geschichte. Der Bursche ist wahnsinnig in sie verliebt, aber vor zwei Jahren, als er noch ein grüner Junge war und sie noch nicht richtig gekannt hat – denn sie ist fünf Jahre lang in einem Internat gewesen –, was tat da der Idiot? Er ließ sich von einer Bardame in Bristol einfangen und hat sie standesamtlich geheiratet! Niemand weiß das geringste von der Sache, aber Sie können sich vorstellen, wie ihn das verrückt machen mußte, Vorwürfe für etwas einzustecken, das er gar zu gern getan hätte und wovon er wußte, daß das ganz unmöglich war. Die reine Raserei hat ihm die Hände hochgerissen, als sein Vater bei ihrem letzten Gespräch ihn drängte, um Miss Turner anzuhalten. Andererseits fehlten ihm die Mittel, sein Leben selber zu bestreiten, und sein Vater, der nach allem, was man hört, ein sehr harter Mann war, würde mit ihm gänzlich gebrochen haben, wenn er die Wahrheit erfahren hätte. Mit ebendieser Bardame, die seine Frau ist, verbrachte er die letzten drei Tage in Bristol, und sein Vater hatte nicht gewußt, wo er war. Behalten Sie das im Gedächtnis. Es ist wichtig. Dennoch ist Gutes aus Bösem gekommen, denn die Bardame, als sie in den Zeitungen las, daß er sich in ernsten Ungelegenheiten befindet und in Gefahr schwebt, gehängt zu werden, hat ihm den Laufpaß gegeben und geschrieben, sie besitze bereits einen Ehemann in Bermuda-Docks, so daß es keine wirkliche Bindung zwischen ihnen gebe. Ich glaube, daß diese kleine Neuigkeit den jungen McCarthy bei allem Leid getröstet hat.«
»Aber wenn er unschuldig ist, wer hat es dann getan?«
»Ja, wer? Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit besonders auf zwei Punkte lenken. Der eine ist, daß der Ermordete eine Verabredung am Teich hatte und daß der Erwartete sein Sohn nicht sein konnte, denn der war weg, und er wußte nicht, wann er zurückkehren würde. Der zweite Punkt ist der, daß man den Ermordeten ›Cooee‹ schreien hörte, ehe er wußte, daß sein Sohn wieder da war. Das sind die entscheidenden Punkte, von denen der Fall abhängt. Und nun lassen Sie uns über George Meredith sprechen, wenn es Ihnen beliebt, und die weniger wichtigen Punkte bis morgen ruhen.«
Es regnete nicht, wie Holmes vorausgesagt hatte, und der Morgen brach hell und wolkenlos an. Um neun Uhr kam Lestrade mit dem Wagen, und wir fuhren zur Hatherley-Farm und zum Weiher von Boscombe.
»Es gibt wichtige Neuigkeiten«, bemerkte Lestrade. »Es heißt, der Gutsherr, Mr. Turner, sei so krank, daß man um sein Leben fürchte.«
»Ein älterer Mann, nehme ich an«, sagte Holmes.
»Ungefähr sechzig, aber seine Konstitution ist durch das Leben im Ausland zerrüttet, und schon seit einiger Zeit ist er nicht mehr recht gesund. Die Ereignisse haben ihn sehr mitgenommen. Er war ein alter Freund von McCarthy und, wie ich hinzufügen möchte, sein Wohltäter. Ich habe erfahren, daß er ihm die Hatherley-Farm pachtfrei überlassen hatte.«
»Aha! Das ist interessant«, sagte Holmes.
»Ja! Und auf hunderterlei andere Art hat er ihm geholfen. Jeder hier spricht von der Freundlichkeit, die er ihm erwiesen hat.«
»Wirklich! Kommt es Ihnen nicht ein wenig sonderbar vor, daß dieser Mr. McCarthy, der wenig zu besitzen schien und Turner so sehr
Weitere Kostenlose Bücher