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Die Abenteuer des starken Wanja

Die Abenteuer des starken Wanja

Titel: Die Abenteuer des starken Wanja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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Ofens. Blut spritzte in dickem Strahl aus der Wunde,
schwarzes, dampfendes Blut.
    Der
Ofen stieß einen gellenden Schrei aus und bäumte sich auf. Für einen Augenblick
verlor die Baba-Jaga die Gewalt über ihn. Diesen Augenblick nützte Wanja zu
einem mächtigen Ruck. Der Ofen war nicht gefaßt darauf, die Hühnerbeine
knickten unter ihm weg, er verlor den Halt.
    Wanja
schleifte den Backofen samt der Baba-Jaga an der Kette über den Rand des Moores
heraus, auf das feste Land. Kaum war das geschehen, da öffnete sich das
Fangeisen ganz von selbst und klirrte zu Boden.
    Wanja
rieb sich den Hals. Er trat auf die Hexe zu, zog den Dolch aus der Ofenflanke,
die Wunde schloß sich.
    »Nun
— wer hat wen besiegt ?«
    Die
Baba-Jaga stieg vom Ofen, aschfahl im Gesicht vor Wut. Sie knirschte mit ihren
langen Pferdezähnen, sie fauchte wie eine böse Katze. Was half es? Sie hatte
den Kampf gegen Wanja verloren — und basta.
    »Was
verlangst du von mir ?«
    Wanja
steckte den Dolch in den Gürtel zurück. Dann sagte er fest und mit lauter
Stimme:
    »Den
Bauern ihre Pferde — und mir den Rappen Waron, der schneller ist als der wilde
Steppenwind: das verlange ich !«
    Die
Hexe wich einen Schritt zurück, sie duckte sich wie zum Sprung. Wanja faßte die
Lanze fester, aber die Alte machte bloß einen Kratzfuß.
    »Was
du verlangst, soll geschehen«, krächzte sie. »Laß uns zu mir nach Hause reiten,
auf meinem Ofenpferdchen ist für uns beide Platz .«
     
    A uf dem Backofen ritten die
Baba-Jaga und der starke Wanja über das weite Moor, durch graue und weiße
Nebelschwaden, vorbei an verkrüppelten Bäumen, im Hui über Tümpel und Kolke
weg, daß der Schlamm spritzte und der Wind ihnen um die Ohren pfiff.
    Weit
draußen im Moor, versteckt hinter einem flachen, mit Ginsterbüschen bewachsenen
Hügelzug, stand die Hütte der Baba-Jaga: ein schiefes, schludriges Häuschen mit
blinden Fenstern und schimmligen Balken, das Strohdach an vielen Stellen
durchgefault.
    »Da
wären wir — brrr, mein Öfchen !«
    Links
von der Hütte begann ein langer, fast mannshoher Bretterzaun. Als Wanja darüber
hinwegblickte, sah er auf eine Pferdekoppel. Dort grasten mit hängenden Köpfen
die von der Baba-Jaga auf den Dörfern zusammengestohlenen Bauernpferde, braune
und schwarze, glatte und struppige, alte und junge — alle zwar gut im Futter,
soweit sich das aus der Ferne erkennen ließ, aber krank vor Heimweh.
    »Schick
sie in ihre Dörfer zurück !« befahl Wanja der
Baba-Jaga. »Und wehe dir, altes Scheusal, wenn auch nur eines von ihnen zu
Schaden kommt !«
    Die
Hexe murmelte etwas in einer fremden, unverständlichen Sprache und fuchtelte
mit den Händen. Dann steckte sie zwei Finger in den Mund und stieß einen
schrillen Pfiff aus. Wanja faßte sich an die Ohren, die Alte kicherte.
    »Um
Vergebung, falls ich den Herrn erschreckt habe.«
    Im
Bretterzaun hatte sich auf den Pfiff hin ein Tor geöffnet. Die Pferde der
Bauern kamen herbeigetrottet und schauten.
    »Lauft,
gute Pferdchen, lauft !« rief der starke Wanja. »Seht
ihr nicht, daß ihr frei seid? Rasch nach Hause, ein jedes in seinen Stall!«
    Nun
begriffen die Bauernpferde. Freudig stürmten sie aus der Koppel, an Wanja
vorbei, mit fliegender Mähne und wehendem Schweif. Nach allen Richtungen stoben
sie über das Moor davon, ein jedes zurück in sein Heimatdorf. Und keines sank
auch nur einen Fingerbreit im Morast ein, dafür hatte die Hexe mit ihren
Zaubersprüchen gesorgt.

    »Zufrieden,
der Herr?«
    »Soweit
ja«, sagte Wanja. »Nun aber her mit dem Rappen Waron!«
    Die
Hexe buckelte unterwürfig. Mit schiefem Grinsen führte sie Wanja hinter die
Hütte zu einem Stall, darin standen zwei prächtige Pferde: ein Goldfuchs mit
langer, kunstvoll geflochtener Mähne und — Wanja stockte bei ihrem Anblick das
Herz — eine herrliche Schimmelstute, in allen Dingen Bjelajas Ebenbild.
    »Schneeflöckchen
ist zu haben«, sagte die Baba-Jaga, »und Goldfüchslein auch...«
    Wanja
klopfte der Schimmelstute den Hals. Zutraulich schmiegte sie ihm den Kopf an die
Schulter, mit leisem, zärtlichem Schnauben. »Nun, wie gefallen dir meine beiden
Tierchen? Eins davon kannst du mitnehmen — welches, das steht bei dir .«
    »Und
der Rappe Waron ?« fragte Wanja.
    »Ach,
der !« rief die Hexe Knochenbein. »Selbstverständlich
kannst du auch den bekommen, dort hinten steht er und frißt das Gnadenbrot .«
    Halb
versteckt hinter einem grauen, aus alten Futtersäcken zusammengestückelten
Vorhang stand

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