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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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auf sie zukam, und erwartete keine Überraschungen. Es gab auch keine, und nachdem sie den letzten Tunnel passiert hatten, landeten sie wieder in der Grotte kurz vor dem Ausgang. Dort bat Walimai sie, sich hinzusetzen, und zog aus einem seiner geheimnisvollen Beutel einige Blätter, die wie Tabak aussahen. Mit knappen Worten erklärte er ihnen, sie müssten »gereinigt« werden, um die Erinnerung an das Gesehene auszulöschen. Alex wollte weder die Bestien noch seine Reise in den Bauch des Berges vergessen, und auch Nadia mochte auf ihre Erfahrungen nicht verzichten, aber Walimai beruhigte sie und sagte, an all das würden sie sich erinnern und nur den Weg vergessen, damit sie nie wieder in den heiligen Berg zurückfänden.
    Er drehte die Blätter zu einem Stäbchen, klebte es mit Spucke zusammen und steckte es mit der schon fast erloschenen Fackel an wie eine Zigarette. Er nahm einen tiefen Zug, dann blies er den Rauch mit aller Kraft zuerst Alex, danach Nadia in den Mund. Das war keine angenehme Prozedur, der stinkende, heiße, beißende Qualm drang ihnen bis hinter die Stirn, und es brannte, als hätten sie Pfeffer geschnupft. Sie spürten ein Stechen im Kopf, einen unwiderstehlichen Niesreiz, und schlagartig wurde ihnen schwindlig. Alex musste an seine ersten Rauchererfahrungen mit Kate denken, an das verqualmte Auto und daran, wie hundeelend er sich gefühlt hatte. Das hier war so ähnlich, bloß noch schlimmer: Alles drehte sich.
    Walimai löschte die Fackel. Kein Lichtschein fiel in die Höhle wie noch ein paar Tage zuvor, es war stockfinster. Alex und Nadia nahmen sich bei der Hand, während Borobá sich erschrocken jammernd an Nadias Hüfte festhielt. In der Dunkelheit meinten die beiden lauernde Ungeheuer zu erkennen und entsetzliche Schreie zu hören, aber sie ließen sich keine Angst einjagen. Noch war ihr Verstand nicht völlig vernebelt, bestimmt kamendiese Horrorvisionen von dem Rauch, und solange ihr Freund, der Zauberer, bei ihnen war, würde ihnen sicher nichts passieren. Sie kuschelten sich auf dem Boden aneinander und fielen fast sofort in traumlosen Schlaf.
    Wie viel Zeit vergangen war, hätte keiner von beiden sagen können. Nach und nach kamen sie zu sich und begriffen endlich, dass Walimai sie leise beim Namen rief und sanft rüttelte. Im Zwielicht konnten sie die Umrisse des Schamanen erkennen. Er deutete auf den schmalen Gang nach draußen, und die beiden krochen, noch immer etwas benommen, hinter ihm her. Sie traten in den Farnwald. Im Auge der Welt tagte es schon.

SIEBZEHNTES KAPITEL
Der menschenfressende Vogel
    Am Tag darauf erreichten die Reisenden Tapirawa-teri. Schon von weitem konnten sie die Hubschrauber zwischen den Bäumen glitzern sehen, und da wussten sie, dass die Zivilisation der Nahab das Dorf schließlich doch erreicht hatte. Walimai wollte im Wald bleiben; er hatte sich ein Leben lang von den Fremden fern gehalten, und dies war nicht der rechte Augenblick, um mit dieser Gewohnheit zu brechen. Wie alle Nebelmenschen besaß auch der Schamane die Fähigkeit, sich fast unsichtbar zu machen, und so hatte er die Nahab jahrelang beobachten können, sich ihre Lager und Dörfer angesehen, ohne jemals von irgendwem entdeckt zu werden. Nur Nadia wusste von ihm, und mit Pater Valdomero war er befreundet, seit der Geistliche bei den Indianern gelebt hatte. Das »Mädchen mit der honigfarbenen Haut« war dem Zauberer in vielen seiner Träume erschienen, und er war überzeugt, dass sie eine Botin der Geister sein musste. Für ihn gehörte sie zur Familie, daher hatte er ihr erlaubt, ihn bei seinem wahren Namen zu nennen, wenn sie allein waren, hatte ihr von den Mythen und Überlieferungen seines Volkes erzählt, ihr den Talisman geschenkt und sie in die heilige Stadt der Götter geführt.
    Alex hüpfte das Herz, als er die Hubschrauber sah: Er war nicht für immer im Reich der wilden Götter verschollen; er würde wieder nach Hause zurückkehren können. Die Hubschrauber mussten tagelang über dem Auge der Welt nach ihnen gesucht haben. Bestimmt hatte seine Großmutter einen gewaltigen Aufstand gemacht, als er verschwunden war, und Hauptmann Ariosto so lange bearbeitet, bis der bereit war, das ganze Gebiet aus der Luft zu durchkämmen. Wahrscheinlich hatten sie die Rauchsäule gesehen, die bei Mokaritas Bestattung über dem Dorf aufgestiegen war, und es so gefunden.
    Walimai sagte zu Nadia und Alex, er werde unter den Bäumen versteckt abwarten, was im Dorf vorging. Alex wollte ihm für

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