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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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einen der Lederbeutel von seinem Heilerstab, reichte ihn Alex und sagte, um seiner Mutter zu helfen, solle er die Blätter darin zermahlen und mit dem Wasser mischen. Alex stiegen die Tränen in die Augen, als er sich den Beutel um den Hals band. Eine ganze Weile schwenkte Walimai die steinchengefüllte Rassel über Alex’ Kopf, pustete an seine Brust, die Schläfen und den Rücken, berührte seine Arme und Beine mit dem Stab.
    »Wenn du kein Nahab wärst, könntest du mein Nachfolger sein, du bist mit der Seele des Schamanen geboren. Du hast die Kraft des Heilens, nutze sie gut«, sagte er.
    »Dann wird meine Mutter mit dem Wasser und den Blättern wieder gesund?«
    »Kann sein, kann auch nicht sein …«
    Was mache ich mir für Hoffnungen?, dachte Alex, das ist doch alles kein bisschen logisch, ich sollte eher auf die modernen Medikamente in diesem Krankenhaus in Texas vertrauen als auf eine Kalebasse voll Wasser und ein paar trockene Blätter, die mir ein nackter Greis mitten im Amazonasdschungel in die Hand drückt; aber auf dieser Reise waren ihm schon zu viele rätselhafte Dinge begegnet. Es gab so etwas wie übernatürliche Mächte und verborgene Welten, wie diesen Tepui mit seinen urzeitlichen Bewohnern. Sicher, man konnte für fast alles eine vernünftige Erklärung finden, sogar für die Bestien, aber Alex wollte nicht mehr danach suchen und lieber einfach auf ein Wunder hoffen.
    Der Rat der Götter hatte entschieden, auf die beiden Fremden und den weisen Schamanen zu hören. Sie würden nicht mehr ausziehen, um die Nahab zu töten, denn das war sinnlos, wo es doch so viele von denen gab wie Ameisen und immer neue nachkommen würden. Die wilden Götter würden in ihrem heiligen Berg bleiben, in Sicherheit, zumindest vorerst.
    ~
    Nadia und Alex waren traurig, als sie sich von diesen riesigen Urzeitfaultieren verabschieden mussten. Sie würden nichts über den labyrinthischen Zugang in den Tepui verraten, und vielleicht würde auch kein Hubschrauber den Weg in den Talkessel finden. Im besten Fall, wenn alles gut ging, würde ein weiteres Jahrhundert vergehen, ehe die Neugier der Menschen auch diese letzte Oase aus der Urzeit erreicht hätte. Und falls es doch eher passierte, so hofften die beiden zumindest, dass die Wissenschaftler aus aller Welt diesen wilden Göttern zu Hilfe kämen, bevor die Habgier der Abenteurer ihnen den Garaus machte. Sie jedenfalls würden diese Kolosse niemals wiedersehen.
    Als es Nacht wurde, erklommen sie im Schein von Walimais Harzfackel die Steinstufen zum Labyrinth. Ohne Zaudern durchquerten sie das verschlungene Tunnelsystem, das der Schamane in- und auswendig kannte. Nicht ein einziges Mal gerieten sie in eine Sackgasse, nie mussten sie umkehren und einen anderen Weg nehmen, denn der Zauberer führte sie, als hätte er die Karte im Kopf gespeichert. Eigentlich hatte Alex sich die Abzweigungen merken wollen, gab es aber bald auf, denn selbst wenn es ihm gelungen wäre, hinterher einen Plan aus dem Kopf zu zeichnen, sah hier doch alles völlig gleich aus, und es hätte genügt, eine einzige Weggablung zu übersehen, um heillos in die Irre zu gehen.
    Sie erreichten die Höhle, in der sie ihren ersten Drachen gesehen hatten, und waren wieder ganz verzaubert von ihren buntglitzernden Edelsteinen, den Kristallen und Metalladern. Es war eine richtige Ali-Baba-Höhle, vollgestopft mit Schätzen, wie sie sich nur die blühendste Phantasie ausmalen kann. Alex fiel der grüne Stein in seiner Hosentasche ein, und er zog ihn heraus, um ihn mit denen hier zu vergleichen. In der schummrigen Höhle war der Stein nicht mehr grün, sondern gelblich, also hatte er wohl nur durch das Licht wie ein Edelstein ausgesehen, und all die Pracht dort unten war vielleicht genauso wertlos wie der Glimmer von El Dorado. Bloß gut, dass er die Kalebasse nicht damit, sondern mit dem Wasser des Lebens gefüllt hatte. Er steckte den falschen Smaragd wieder ein: Er würde ihn seiner Mutter mitbringen.
    Der geflügelte Drache saß auch diesmal in seiner Ecke, aber es war ein kleinerer, rötlich gefärbter bei ihm, vielleicht seineGefährtin. Die beiden rührten sich nicht, als sie die drei Menschen bemerkten, und auch nicht, als der Geist von Walimais Frau zu ihnen hinüberschwebte, um sie zu begrüßen, und sie umflatterte wie eine Fee ohne Flügel.
    Wie auf seiner Pilgerfahrt in die Tiefen der Erde hatte Alex auch jetzt das Gefühl, der Rückweg sei kürzer und nicht so beschwerlich, denn er wusste ja, was

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