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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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und der Säugling bekamen das eine, Ludovic Leblanc, César Santos und Timothy Bruce das andere Zelt. Der Hauptmann hatte nicht vergessen, wie Alex über ihn hergefallen war, und hegte einen blinden Hass gegen ihn. Bloß wegen dieser beiden Blagen, vor allem wegen dieses verdammten Amis, hatte er jetzt diesen Riesenärger am Hals, war das Hirn von Mauro Carías Brei, waren die Indianer abgehauen und seine Pläne, in Miami ein Leben in Saus und Braus zu führen, ernsthaft in Gefahr. Dieser Alexander Cold stellte ein Risiko dar, mit diesem Burschen musste er hart umspringen. Ariosto entschied, Alex von den anderen zu trennen, und ordnete an, ihn am Rand des Lagers an einen Baum zu binden, weit weg von den Zelten mit dem Rest der Gruppe und weit weg von dem Schein der Petroleumlampen. Kate Cold bekam einen Wutanfall, als sie hörte, was mit ihrem Enkel passierte, aber der Hauptmann befahl ihr, die Klappe zu halten.
    »Vielleicht ist es besser so, Kate. Alex ist nicht blöd, bestimmt kann er irgendwie abhauen«, flüsterte Nadia.
    »Ariosto ist imstande und bringt ihn um heute Nacht.« Kate kochte vor Zorn.
    »Borobá holt Hilfe«, sagte Nadia.
    »Glaubst du etwa, dass dieser Affe uns rettet?«, schnaubte Kate.
    »Borobá ist sehr klug.«
    »Kindchen, du hast sie ja nicht alle!«
    Die Stunden verstrichen, und im Lager machte keiner ein Auge zu, außer dem Säugling, der vom vielen Weinen ganz erschöpft war. Kate Cold hatte ihn auf ein Bündel Wäsche gelegt und fragte sich, was aus dem armen Geschöpf werden sollte, falls sie es schaffen sollten, lebend hier herauszukommen: Das Letzte, was sie sich wünschte, war, ein verwaistes Kind bei sich aufzunehmen. Die Angst hielt Kate hellwach, sie rechnete jeden Moment damit, dass Ariosto ihren Enkel und dann sie und die anderen umbrachte, oder auch umgekehrt, zuerst sie und die anderen und dann Alexander, um sich an ihm mit einem langsamen und qualvollen Tod zu rächen. Dieser Kerl war äußerst gefährlich. AuchTimothy Bruce und César Santos hatten das Ohr an die Zeltplane gepresst und versuchten zu erraten, was draußen vorging. Professor Leblanc dagegen kletterte unter dem Vorwand, er müsse mal, aus dem Zelt und verwickelte Hauptmann Ariosto in ein Gespräch. Dem Anthropologen war klar, dass ihre Situation mit jeder Stunde brenzliger wurde, deshalb wollte er den Hauptmann auf andere Gedanken bringen und lud ihn zu einem Kartenspiel und einer Flasche Wodka aus Kate Colds Vorrat ein.
    »Versuchen Sie ja nicht, mich betrunken zu machen, Herr Professor«, sagte Ariosto, schüttete sich aber gleichwohl sein Glas voll.
    »Wo denken Sie hin, Herr Hauptmann! Ein Schlückchen Wodka kann doch einem Mann wie Ihnen nichts anhaben. Die Nacht ist lang, wir sollten uns ein bisschen vergnügen.«

NEUNZEHNTES KAPITEL
Freunde und Feinde
    Wie so oft auf der Hochebene war es auch an diesem Abend schlagartig kalt geworden, sobald die Sonne untergegangen war. Die Soldaten, an die Wärme im Tiefland gewöhnt, schlotterten in ihren Uniformen, die noch feucht waren vom Regen am Nachmittag. Keiner schlief, denn der Hauptmann hatte angeordnet, dass sie alle rund um das Lager Wache halten sollten. Sie waren auf der Hut, hielten mit beiden Händen ihre Gewehre umklammert. Inzwischen fürchteten sie sich nicht mehr nur vor den Urwalddämonen oder vor der Bestie, sondern auch vor den Indianern, die jeden Moment zurückkommen konnten, um ihre Toten zu rächen. Sie selbst besaßen zwar Schusswaffen, aber die Indianer kannten hier jeden Baum und jeden Strauch und konnten noch dazu wie Spukgestalten aus dem Nichts auftauchen. Hätten nicht dort, bei dem Baum, die Toten gelegen, die Soldaten hätten geglaubt, dass sie es hier gar nicht mit Menschen zu tun hatten und die Kugeln diesem Gegner nichts anhaben konnten. Sie zählten die Stunden bis zum Morgen, wollten so schnell wie möglich hier verschwinden; in der Dunkelheit schien die Zeit stillzustehen, und der Urwald raunte bedrohlich.
    Kate Cold saß im Schneidersitz neben dem schlafenden Säugling und zermarterte sich den Kopf, wie sie ihrem Enkel helfen konnte und wie sie alle lebend aus dem Auge der Welt herauskämen. Durch die Zeltplane drang etwas vom Schein des Lagerfeuers, und davor zeichnete sich Nadia ab, die in die Jacke ihres Vaters gehüllt dahockte.
    »Ich gehe jetzt …«, flüsterte Nadia.
    »Das kannst du nicht!«, zischte Kate.
    »Mich sieht schon niemand, ich kann mich unsichtbar machen.«
    Davon überzeugt, dass Nadia im Fieber sprach,

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