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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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diesen Freunden gehen«, sagte der Alte.
    »Aber wie denn? Wir sitzen doch hier in der Falle!«
    Walimai beantwortete schon keine Fragen mehr. Er hockte nur da, betrachtete die Sterne, und wahrscheinlich war seine Frau bei ihm und hatte ihre flüchtigste Form angenommen, denn weder Nadia noch Alex konnten sie sehen. Die beiden machten kein Auge zu, lagen dicht beieinander, um sich ein bisschen warm zu halten, sprachen aber nicht, denn es gab nur wenig zu sagen. Sie mussten daran denken, was Kate, Nadias Vater und die anderen Expeditionsteilnehmer erwartete; sie dachten an die Nebelmenschen, die verloren waren; sie dachten an die wilden Götter und ihre goldene Stadt; sie dachten an das Wasser des Lebens und die drei Eier aus Kristall. Was sollten sie bloß machen, hier, gefangen im Urwald?
    Plötzlich schlug ihnen der fürchterliche Geruch ins Gesicht, abgeschwächt zwar, denn er kam von ziemlich weit her, aber unverkennbar. Sie sprangen auf die Füße, Walimai jedoch rührte sich nicht, als hätte er darauf nur gewartet.
    »Die Bestien sind da!«, rief Nadia.
    »Kann sein, kann auch nicht sein«, sagte der Schamane mit unbewegter Miene.
    ~
    Der Rest der Nacht wurde ihnen unerträglich lang. Bevor der Morgen graute, war es so bitterkalt, dass Alex, Nadia und Borobá, obwohl sie sich dicht aneinander kauerten, mit den Zähnen klapperten, während der alte Zauberer, den Blick im Dunkel verloren, weiter reglos abwartete. Als es hell zu werden begann und die Affen und Vögel in den Baumkronen munter wurden, gab Walimai das Zeichen zum Aufbruch. Sie folgten ihm, bis die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne durch das Laubwerk brachen und sie das Lager erreichten. Das Feuer und die Lampen waren erloschen,nichts regte sich, aber die Luft war noch immer verpestet wie von hundert Stinktieren. Alex und Nadia hielten sich mit einer Hand die Nase zu und legten die andere zur Verstärkung darüber, als sie auf die Lichtung traten, wo noch vor kurzem das friedliche Dorf Tapirawa-teri gewesen war. Die Zelte, der Klapptisch, die Feldküche, alles lag verstreut herum; überall sah man Reste vom Proviant, aber nicht ein einziger Affe oder Vogel wühlte darin und im Müll herum, denn der Gestank der Bestien schreckte sie noch immer ab. Sogar Borobá hielt sich abseits, kreischte und hüpfte aufgeregt unter den Bäumen auf und ab. Walimai schien der Gestank so wenig auszumachen wie die Kälte der Nacht. Alex und Nadia blieb nichts anderes übrig, als hinter ihm herzugehen.
    Niemand war da, keine Spur von den Expeditionsteilnehmern, von den Soldaten, von Hauptmann Ariosto, und auch die toten Indianer lagen nicht mehr bei dem Baum. Hingegen waren die Waffen, das Gepäck und auch die Fotoausrüstung von Timothy Bruce noch da; außerdem sahen sie eine große Blutlache, die nicht weit von dem Baum, an den Alex gefesselt gewesen war, die Erde dunkel färbte. Nachdem Walimai das alles kurz in Augenschein genommen hatte, nickte er zufrieden und wandte sich zum Gehen. Alex und Nadia stolperten wortlos hinter ihm her, ihnen war so speiübel, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnten. Mit der kühlen Morgenluft ging es ihnen zwar bald schon besser, aber ihre Schläfen pochten noch, und auch der Schwindel verschwand nicht gleich. Unter den Bäumen kam Borobá angeflitzt, und zu viert setzten sie ihren Marsch in den Urwald fort.
    ~
    Einige Tage zuvor, als sie die Vögel, die Donner und Wind machen, am Himmel entdeckt hatten, waren die Bewohner von Tapirawa-teri aus ihrem Dorf geflohen, hatten ihre paar Habseligkeiten zurückgelassen und ihre Haustiere, die sie daran gehindert hätten, unbemerkt zu bleiben. Keiner hatte gesehen, wie sie durch das Dickicht liefen, und als sie sich schließlich sicher fühlten, waren sie in die Kronen einiger hoher Bäume geklettert und hatten sich dort notdürftig eingerichtet. Die Soldatentrupps, die Ariosto losgeschickt hatte, waren sehr nah vorbeigekommen, ohne etwaszu merken, wohingegen Tahamas gut getarnten Spähern keine Bewegung der Fremden entging.
    Iyomi und Tahama hatten lange darüber gesprochen, ob sie dem Rat von Jaguar und Aguila folgen und zu den Nahab gehen sollten. Iyomi war der Meinung gewesen, ihr Volk könne sich nicht für immer wie die Affen in den Bäumen verstecken, nun sei es Zeit, die Nahab zu besuchen, ihre Geschenke anzunehmen und ihre Medizin, sie hätten keine andere Wahl. Tahama wollte lieber kämpfen und notfalls sterben; aber Iyomi war Häuptling der Häuptlinge und hatte sich

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