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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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kommt er wieder. Unsere Lage ist nicht so aussichtslos, wie Angie behauptet.«
    »Hoffentlich keine Kannibalen.«
    »Das wäre echt Pech.« Auch Nadia hatte nicht vergessen, was der Missionar über den Wahnsinnigen gesagt hatte, der in dieser Gegend herrschte.
    »Ich sehe nirgends Fußspuren.« Alex starrte auf den Sand.
    »Von Tieren gibt es auch keine Spuren. Der Untergrund ist weich, und der Regen wischt sie weg.«
    ~
    Seit ihrer Bruchlandung hatte es schon zweimal kräftig geregnet, und sie waren nass geworden wie unter der Dusche. So schlagartig, wie er einsetzte, hörte dieser Platzregen auch wieder auf, alles war durchgeweicht, aber kühler wurde es dadurch nicht, im Gegenteil, die Feuchtigkeit machte die Hitze noch drückender. Sie bauten Angies Zelt auf, in dem sie zu fünft schlafen würden, während der sechste draußen Wache hielt. Auf Bruder Fernandos Rat hin suchten sie Kot von Tieren und warfen ihn ins Feuer, denn der Rauch hielt die Moskitos auf Abstand und überdeckte die Gerüche des Lagers, die womöglich Raubtiere aus dem Wald anlockten. Der Missionar warnte sie vor einer Wanzenart, die ihre Eier unter Finger- und Zehennägeln ablegte. Das Nagelbett entzündete sich, und man musste die Nägel mit einem Messer anheben, um die Larven darunter herauszukratzen, eine Tortur, die an chinesische Folter erinnerte. Als Vorsichtsmaßnahme rieben sie sich Hände und Füße mit Benzin ein. Außerdem sollten sie immer alle Lebensmittel sorgfältig wegpacken, weil die Ameisen hier gefährlicher werden konnten als Krokodile. Eine Ameiseninvasion war etwas Grauenhaftes: Alles Leben verschwand, und übrig blieb Wüstenei. Alex und Nadia hatten am Amazonas davon gehört, aber was der Missionar ihnen erzählte, klang noch bedrohlicher. Als die Sonne sank, fiel ein Schwarm winziger Bienen im Lager ein. Diese so genannten Mopani waren unausstehlich und krabbelten ihren Opfern, vom Rauch nicht verdrossen, sogar auf den Wimpern herum.
    »Sie stechen nicht, sondern trinken nur den Schweiß. Besser, man versucht erst gar nicht, sie wegzuscheuchen, ihr werdet euch schon an sie gewöhnen«, sagte der Missionar.
    »Schaut mal da!« Joel deutete auf den Strand.
    Am Ufersaum wankte eine riesige Schildkröte entlang.
    »Der Panzer hat sicher mehr als einen Meter Durchmesser. Sie muss über hundert Jahre alt sein«, schätzte Bruder Fernando.
    »Ich weiß, wie man eine köstliche Schildkrötensuppe kocht!« Angie griff nach ihrem Buschmesser. »Man wartet, bis sie den Kopf vorstreckt, und dann …«
    »Sie wollen sie doch nicht töten«, fiel Alexander ihr ins Wort.
    »Der Panzer ist viel Geld wert.«
    »Wir haben Dosensardinen für das Abendessen.« Nadia grauste es bei der Vorstellung, die wehrlose Schildkröte zu essen.
    »Wir sollten sie nicht töten. Das Fleisch riecht sehr stark und könnte Raubtiere anlocken«, kam Bruder Fernando ihr zu Hilfe.
    Geruhsam schwankte das steinalte Tier auf das andere Ende des Strandes zu, nicht ahnend, dass es soeben nur knapp dem Kochtopf entronnen war.
    ~
    Die Sonne stand tief, lang fielen die Schatten der nahen Bäume über den Strand, und endlich kühlte es etwas ab.
    »Nicht hersehen, Bruder Fernando, ich erfrische mich rasch im Fluss. Ich möchte Sie nicht in Versuchung führen«, lachte Angie.
    »Besser, Sie halten sich vom Wasser fern«, entgegnete der Missionar trocken und ohne sie anzusehen, »man kann nie wissen, was dort lauert.«
    Aber Angie hatte bereits ihre Tunika abgelegt und lief in Unterwäsche hinunter zum Ufer. Sie war vorsichtig genug, nur bis zu den Knien hineinzugehen, und hielt die Augen offen, damit sie sich an Land retten konnte, falls Gefahr drohte. Mit ihrer Blechtasse, aus der sie normalerweise Kaffee trank, schöpfte sie Wasser und schüttete es sich mit unübersehbarem Behagen über den Kopf. Die anderen schlossen sich ihr an, außer dem Missionar, der mit dem Rücken zum Fluss saß und ein karges Mahl aus Bohnen und Dosensardinen zubereitete, und Borobá, der Wasser nicht ausstehen konnte.
    Nadia sah die Flusspferde als Erste. Im Zwielicht des Abendswaren sie in dem braunen Wasser kaum zu erkennen, und als Nadia sie bemerkte, waren sie bereits sehr nah. Zwei ausgewachsene Tiere, wenn auch kleiner als die, die sie bei Michael Mushaha gesehen hatten, linsten über das Wasser. Das dritte, ein Kleines, sahen sie erst, als es den Kopf zwischen den dicken Hinterbacken seiner Eltern in die Höhe reckte. Die Augen der Tiere schimmerten wie dunkles Mahagoniholz, ihre

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